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Entführung des Großfürsten

Entführung des Großfürsten

Titel: Entführung des Großfürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Geschichte gibt es Beispiele dafür, daß recht willensschwache Thronfolger mit der Zeit aufs würdigste regiert haben. Nehmen wir nur Alexander den Gesegneten oder Franz Joseph.«
    Ich sagte das eine und dachte etwas anderes: Habe ich das Recht, über den oben gefaßten Beschluß zu sprechen?
    Der Japaner würde es ohnehin über kurz oder lang von seinem Herrn erfahren. Mademoiselle in Unkenntnis zu halten war ebenfalls unmöglich – das wäre zu grausam. Foma Anikejewitsch und Luka Jemeljanowitsch konnten einen sachlichen Rat geben. Bedenklich war nur die Anwesenheit von Mr. Freyby.
    Der Brite schien meinen Blick zu spüren, er riß die Augen vom Buch und brubbelte etwas Unverständliches, wobei seine Pfeife auf und ab wippte.
    »Isch weiß alles«, übersetzte Mademoiselle. »Mylord at es erzählt.«
    Der Butler steckte die Nase wieder in sein Buch, womit er zu verstehen gab, daß man ihn ignorieren könne.
    Aha, auch in England haben die Herrschaften keine Geheimnisse vor ihren Haushofmeistern. Um so besser.
    Ich berichtete meinen Kollegen kurz von dem Brief, von dem gefährlichen Doktor und von dem Beschluß, der auf der Geheimberatung gefaßt worden war. Man hörte mir schweigend zu. Als ich erzählte, daß Doktor Lind seine Geiseln zu töten pflegt, stöhnte Mademoiselle Déclic auf und ballte über dem Tisch die kräftigen Fäustchen. Um ihr zu helfen, mit der begreiflichen Erregung fertig zu werden, machte ich eine kleine Abschweifung und erzählte, was für eine bewundernswerte Beherrschung Großfürst Georgi gezeigt hatte. Doch Mademoiselles Reaktion setzte mich (wie schon so oft) in Erstaunen.
    »Georgi Alexandrowitsch at sechs Söhne von seine Gattin und noch zwei von die kleine Ballerina. Wenn Doktor Lind ätte seine einzige Tochter entführt, oh, dann ätte er sisch ganz anders veralten.«
    Ich muß gestehen, ihre Worte konsternierten mich – sowohl ihre Einschätzung (mit der sie vielleicht nicht ganz unrecht hatte, denn Großfürstin Xenia war in der Tat der Liebling ihres Vaters) wie auch die taktlose Erwähnung der Ballerina.
    Foma Anikejewitsch lenkte das Gespräch in eine andere Richtung und milderte die Peinlichkeit: »Können nicht auch wir Diener unsererseits etwas tun?«
    Ja, das macht einen Haushofmeister aus – mit wenigen Worten das Wesentliche benennen. Im Vergleich zu ihm waren wir anderen Zwerge.
    »Entschuldigen Sie, Afanassi Stepanowitsch, wenn ich das sage«, fuhr er höflich fort, »aber es geht hier nicht nur um das Leben des kleinen Großfürsten, sondern um noch Größeres – um das Schicksal der Monarchie und überhauptum das russische Reich. Bei all unseren inneren Erschütterungen, Zerwürfnissen und Schwankungen, bei der offensichtlichen Schwäche und Unerfahrenheit des Herrschers ist das ein schwerer Schlag, noch dazu vor den Augen der ganzen Welt. Die Folgen sind nicht abzusehen. Wir, die Dienerschaft des Hauses Romanow, müssen etwas dagegen tun.«
    Der Japaner knallte die Untertasse auf den Tisch, und sein Kopf neigte sich so tief herab, daß ich fürchtete, den Mann könnte der Schlag getroffen haben. Nein, wie sich herausstellte, war es eine Verbeugung. Sein runder Kopf berührte fast die Tischdecke, und er sagte gefühlvoll zu Foma Anikejewitsch: »So splicht ein echt Samurai. Foma-san, Sie sind ein gut Menss.«
    Ein Samurai war, wie ich gelesen hatte, ein japanischer Ritter. Was das Wort »san« bedeutete, wußte ich nicht. Vermutlich eine ehrenvolle Anrede wie cher maître.
    Foma Anikejewitsch antwortete mit einer höflichen Verneigung, und der Japaner richtete sich auf.
    »Mussen meine Herrn beistehn«, verkündete er in seiner irren, doch verständlichen Aussprache. »Kann nich allein den Ondsi und Ansehn von Kaiseleich ssütsen.«
    »Ich habe viel von Herrn Fandorin gehört, Herr Masa«, sagte Foma Anikejewitsch. »Als Fürst Dolgorukoi noch Generalgouverneur von Moskau war, muß er hier Herausragendes geleistet haben.«
    Ich hatte nicht gewußt, daß der Kammerdiener über Fandorin unterrichtet war, wunderte mich aber nicht.
    Der Japaner sagte ernst: »Ja, so viel, viel. Aber das is nich wichtich. Wichtich is, das mein Herr nich leben kann, wenn Dokutor Lind lebt.«
    Das klang merkwürdig, aber der Sinn war klar.
    Mademoiselle fragte mit ihrem Akzent, der sich weitaus angenehmer anhörte: »Aber was kann er denn tun, Ihr Err?«
    »Was nötich is«, erwiderte Masa. »Mein Herr tut, was nötich ist. Dokutor Lind wid nich leben.«
    Foma Anikejewitsch stieß

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