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Entführung des Großfürsten

Entführung des Großfürsten

Titel: Entführung des Großfürsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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nur in den Schultern etwas zu eng.
    Der Unterricht begann. Ich sah zu, da ich sonst nichts zu tun hatte. Bald gesellte sich Masa zu mir und etwas später auch Mr. Freyby, angelockt vom Geräusch des aufschlagenden Balles, Musik für ein englisches Ohr.
    Fandorin war ein passabler Schüler, und schon nach einer Viertelstunde flog der Ball an die zehnmal hintereinander übers Netz. Die Großfürstin heiterte sich auf, ihre Wangen röteten sich, unter ihrem Hütchen schlüpften Locken hervor – ein hübscher Anblick. Auch ihr Partner konnte sich sehen lassen. Zwar hielt er den Schläger nicht richtig und schlug den Ball zu hart, als stoße er mit dem Säbel zu, aber er bewegte sich gewandt auf dem Tennisplatz, ein attraktiver Mann, nicht zu leugnen.
    »They make a beautiful pair, don’t they?« sagte Mr. Freyby.
    »Ein ssöne Paar«, übersetzte Masa.
    Ich war peinlich berührt von dieser Bemerkung, vielleicht lag es an der Übersetzung. Natürlich konnten Ihre Hoheit und Fandorin kein Paar sein, in keiner Hinsicht. Aber nach den Worten Mr. Freybys betrachtete ich die Großfürstin Xenia genauer, und es gab mir einen Stich ins Herz. Einen so strahlenden Blick hatte ich bei Ihrer Hoheit nicht einmal vor ihrem ersten »Erwachsenen«ball gesehen.
    »Das reicht, Erast Petrowitsch, wozu noch länger Zeit verlieren!« rief sie. »Sie sind schon so gut, daß wir ein richtiges Spiel machen können. Die Regeln sind sehr einfach. Ich schlage auf, weil Sie das noch nicht können. Zuerst schmettere ich den Ball in dieses Feld, dann in jenes, und so immer abwechselnd bis zum Sieg. Und Sie schlagen den Ball zurück, aber nur innerhalb des Spielfeldes. Verstanden? Der Verlierer kriecht unter dem Netz hindurch. Ich bitte den Engländer, Schiedsrichter zu sein.«
    Sie wandte sich auf englisch an Mr. Freyby, der verbeugte sich mit ernster Miene und trat ans Netz. Doch bevor er das Zeichen zum Beginn des Spiels gab, drehte er sich zu uns um und sagte etwas.
    »Vorsslägt Wette«, erklärte Masa, und seine kleinen Äuglein funkelten unternehmungslustig. »Swei su ein für Gofüstin.«
    »Für was?« fragte ich verständnislos.
    »Hoheit«, antwortete der Japaner ungeduldig und schnatterte auf englisch, wobei er bald auf seinen Herrn, bald auf Ihre Hoheit zeigte.
    »All right«, stimmte der Brite zu. »Five to one.«
    »Funf su ein«, übersetzte Masa.
    Er seufzte bekümmert, förderte unter dem Hemd einen bunten Papierbeutel zutage, zeigte Mr. Freyby einen zerknitterten Fünfrubelschein und legte ihn auf eine Bank.
    Der Engländer zückte bedächtig eine knarrende Brieftasche von gutem Leder und entnahm ihr einen Fünfundzwanzigrubelschein.
    »What about you, mister Zyukin?« fragte er, und das war auch ohne Übersetzung verständlich.
    Ich fand die Idee mit der Wette nicht ganz schicklich, aberGroßfürst Georgi hatte gesagt: »Heiterkeit und Ungezwungenheit, Afanassi. Ich verlasse mich auf dich.« Und ich beschloß, mich ungezwungen zu benehmen.
    Es sah nach einem sicheren Geschäft aus. Großfürstin Xenia zeichnete sich von klein auf durch Biegsamkeit und Gewandtheit aus, und im Tennis konnte keine der Damen mit ihr mithalten. Aber was heißt Damen – ich hatte mehrfach gesehen, wie sie auch den Großfürsten Pawel und Endlung besiegte, Fandorin hingegen hielt heute zum erstenmal einen Tennisschläger in der Hand. Zwar hatte Masa auf seinen Herrn gesetzt, aber nur aus Ergebenheit, die bei japanischen Dienern, wie ich gelesen habe, bis zum Fanatismus geht und keine Grenzen kennt. Es wird erzählt (ob es stimmt, weiß ich nicht), daß sich ein japanischer Diener lieber den Bauch aufschlitzt, als seinen Herrn im Stich zu lassen. Solch eine Selbstaufgabe im Geiste von Vatel, der sich mit dem Säbel durchbohrte, als dem Prinzen von Condé nicht rechtzeitig das Fischgericht aufgetragen wurde, kann nur Bewunderung wecken, obwohl es natürlich in einem achtbaren Haus völlig undenkbar ist, die eigenen Därme auf das spiegelglatte Parkett klatschen zu lassen.
    Mich packte die Neugier, wie weit die Opferbereitschaft des japanischen Kammerdieners gehen würde. In meiner Geldbörse lagen fünfzig Rubel, die ich auf mein Sparkonto einzahlen wollte. Ich nahm die Geldscheine heraus und legte sie auch auf die Bank.
    Der Japaner, das muß ich ihm lassen, zuckte nicht mit der Wimper. Er holte noch einen Zehner hervor, und Mr. Freyby rief: »Go!«
    Die Spielregeln kannte ich, so daß ich nicht auf die Rufe des Engländers angewiesen

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