Entfuehrung in den Highlands
Kleidung eines Fremden?
Er hörte ein Rascheln draußen vor der Zimmertür, dann drehte sich der Türknauf aus Messing, und die Tür wurde aufgestoßen. Im hellen Licht, das aus dem Flur ins Zimmer fiel, erkannte er die Umrisse einer Frau. Zierlich und doch mit weiblichen Kurven versehen, bot sie einen reizvollen Anblick.
Jack erkannte sie auf den ersten Blick. Erkannte sie am Lilienduft, der von einer Sekunde auf die andere den Raum erfüllte. Erkannte sie an der sanften Rundung ihrer Wange, auf die von der Seite das Licht fiel. Erkannte sie an der anmutigen Art, mit der sie den Türgriff hielt. Erkannte sie daran, wie ihr Anblick seine Lenden zum Zittern brachte.
Es war also doch kein Traum gewesen. „Fiona MacLean.“ Als es ihm endlich gelang, ihren Namen hervorzustoßen, war seine Stimme rau und tief. „Was hat das alles zu bedeuten?“
Sie schloss die Tür und kam auf ihn zu. Einer der Sonnenstrahlen, die durchs Fenster fielen, tanzte in ihren Haaren.
Sein ganzes Gesicht verkrampfte sich. Seit er sie zuletzt gesehen hatte, waren fünfzehn Jahre vergangen. Ihre Augen im geheimnisvollen Schatten der langen Wimpern waren noch grüner, als er sie in Erinnerung hatte. Das Sonnenlicht malte goldene Strähnen in ihr dichtes, kastanienbraunes Haar und brachte ihr fein geschnittenes Gesicht zum Leuchten. Er hatte sich eingeredet, er hätte sie vergessen, doch dieser Moment bewies ihm, dass er sich an jede Kleinigkeit erinnerte.
Ihre vollen Lippen, die so sanft geschwungen waren, ihr kurzes Näschen, das mit goldenen Sommersprossen bestäubt war. Sie war üppiger als damals - aus dem Mädchen, das er gekannt hatte, war eine Frau geworden. Obwohl sie äußerst schicklich mit einem schlichten, taubenblauen Vormittagskleid samt hochgeschlossenem Überkleid bekleidet war, konnte er sehen, dass ihre Brüste und ihre Hüften von verschwenderischer Fülle waren.
In London war Jack Frauen wie ihr aus dem Wege gegangen. Prüde, hochanständige Jungfrauen, an die ein Mann wie er kaum das Wort zu richten wagte, aus Angst, sich unversehens in den Fesseln der Ehe wiederzufinden. Die Gesellschaft derart gefährlicher Frauen zu meiden hatte er von einer der ihren gelernt, nämlich von genau der, die in diesem Moment vor ihm stand.
Als Fiona nervös ihre Lippen befeuchtete, reagierten seine Lenden erneut prompt. „Es tut mir leid, was geschehen ist, Kincaid. “
Ihre leise, heisere Stimme jagte einen Feuerstoß durch sein Blut. „Wo zur Hölle bin ich?“
„In der Jagdhütte meines Bruders. Ich habe nicht gewagt, dich nach Castle MacLean zu schaffen. Wir leben in gefährlichen Zeiten. “
Verdammt, er hatte das Gefühl, sein Kopf wollte im nächsten Moment platzen, und sie hatte nichts Besseres zu tun, als in Rätseln zu sprechen! Er machte einen Schritt vorwärts, sofort schwankte das Zimmer vor seinen Augen von einer Seite zur anderen, und sein Magen machte jede dieser heftigen Bewegungen mit. Mit zusammengepressten Lippen griff er erneut Halt suchend nach dem Bettpfosten.
Der Blick ihrer grünen Augen glitt von ihm zur Tür und wieder zurück. Sie hatte schon immer äußerst faszinierende Augen gehabt, riesig groß, von langen Wimpern beschattet und etwas schräg stehend. Die Brauen darüber sahen aus wie Rabenschwingen. Der Kontrast war berückend und verwirrend zugleich: die wie flüchtige Kohlestriche kühn geschwungenen Brauen über den verrucht dreinblickenden Augen mitten im Antlitz eines Engels.
Natürlich wusste er es besser, als sich von diesem Anblick mitreißen zu lassen. „Warum bin ich hier, Fiona?“ Der Schatten einer Unsicherheit huschte über ihr Gesicht. „Du ... du erinnerst dich nicht?“
„Woran sollte ich mich erinnern? Ich war auf dem Pferd unterwegs nach Hause und ...“ Schmerzliche Erinnerungsfetzen ließen ihn zusammenzucken. Er hatte Lucindas Haus verlassen, weil ihr Ehemann zurückgekehrt war. Der Ritt durch den Wald. Der plötzliche Regen. Der Lilienduft. Dunkelheit, dann die Kirche und Pater MacCanney, der ihm gesagt hatte ... Er klammerte sich fester an den Bettpfosten „Wir sind verheiratet ?“
Sie wurde blass, widersprach aber nicht.
Zum Teufel, das alles war gar kein Traum gewesen! Der Boden und die Wände des Zimmers bewegten sich erneut heftig, und er schwankte unsicher hin und her.
Fiona streckte den Arm aus, um ihn zu stützen, aber er wehrte sie ab, während er auf die Bettkante sank. „Fass mich nicht an, du Hexe.“
Das letzte Wort hing zwischen ihnen in der Luft.
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