Entfuehrung in den Highlands
blass und presste die Lippen aufeinander. „Callum ist tot. Hast du das begriffen?“
„Du musst dich an Erie wenden“, erwiderte er barsch. „Nicht an mich.“
Sie griff nach seinem Arm, und er fühlte den Druck ihrer Finger durch sein Leinenhemd. „Jemand hat meinen Bruder getötet. “
Lange sah er sie an, bemerkte den scharfen Zug um ihren Mund und die Müdigkeit in ihren Augen. Sie war völlig erschöpft. Zugleich mit dieser Erkenntnis durchzuckte ihn ein leiser Hauch von ... Sorge? Oder war es Bedauern, das er fühlte?
Mit einer ruckartigen Bewegung befreite er seinen Arm aus ihrem Griff. „Du hast den falschen Kincaid erwischt.
Du hättest Erie oder Angus entführen sollen, jedenfalls nicht mich.“
Ihre Augen verdunkelten sich. „Wie kannst du das sagen? Du bist ein Kincaid. Und wir ... Du und ich ... “
Er hob die Hand und hinderte sie auf diese Weise am Weitersprechen. „Ich betrachte mich nicht als Teil dieser Familie, ebenso wenig wie sie in mir einen Verwandten sehen. Ich habe mich nie dazugehörig gefühlt. Warum sollte ich ausgerechnet jetzt damit anfangen?“ Nur allzu gut erinnerte er sich an den Tag, an dem er sein Zuhause verlassen hatte. Innerlich erstarrt vor Wut und Stolz, hatte er gehofft, einer von ihnen - seine Mutter oder sein Stiefvater oder wenigstens einer seiner kleinen Brüder - würde ihn bitten zu bleiben, ihn anflehen, nicht zu gehen. Stattdessen war ihre Erleichterung fast mit Händen greifbar gewesen. In den folgenden Monaten hatte es keinen Kontakt zwischen ihnen gegeben, und dadurch war ihm die Tatsache noch klarer geworden - er war ihnen egal, war ihnen immer egal gewesen.
Jack hatte für sich entschieden, dass sie ihm ebenfalls gleichgültig waren. Er verfügte über ein ausreichendes Einkommen, welches ihm der Bruder seiner Mutter zukommen ließ, und über eine angemessene Unterkunft in einem eleganten Wohnviertel Londons, die er gemietet hatte. Nur allzu leicht hatte er sich in einem Leben voller Müßiggang eingerichtet. Er spielte um Geld, nahm an allen erdenklichen Vergnügungen teil, umgarnte Frauen, trank bis zur Besinnungslosigkeit und lernte das einzige Gut zu schätzen, das ihm wirklich gehörte: seine Freiheit.
Mit neunzehn eilte ihm der Ruf eines abgebrühten Verführers und unverbesserlichen Spielers voraus. Außerdem war er bekannt für seine unglaublichen Glückssträhnen. Glück im Spiel, so schien es, hatten vor allem jene, die in Herzensangelegenheiten das Pech verfolgte. So ging es ihm, bis er im Alter von 22 Jahren, während eines seiner gelegentlichen Jagdausflüge nach Schottland, ins Land seiner Väter, Fiona MacLean über den Weg lief. Er würde sich auf keinen Fall wieder mit ihr einlassen! „Zieh mich nicht in diese Sache hinein, MacLean. Such dir einen anderen für deinen verrückten Plan.“
Sie schob ihr Kinn vor und funkelte ihn entschlossen an. „Es ist zu spät, Jack.“
„Ich weigere mich, das zu glauben.“
„Hältst du mich für einen Dummkopf?“, fragte sie mit hochgezogenen Brauen. „Glaubst du, ich nehme all die Mühe auf mich, um etwas zu erreichen, das mit Leichtigkeit rückgängig gemacht werden kann? Unsere Ehe hat Bestand, Kincaid. Bestand für immer.“
Jack starrte sie an und fühlte, wie sich in seinem Magen ein großer, schwerer Klumpen bildete. Hatte sie recht? Gab es tatsächlich keinen Weg, diese Verbindung zu lösen?
Verdammt, wie hatte das passieren können? Und warum ausgerechnet mit der einzigen Frau, der er schon vor vielen Jahren nicht hatte widerstehen können?
Nur ein einziges Mal in seinem Leben hatte er jemandem gestattet, ihn tief in seinem Herzen zu berühren. Er hatte mit vollem Einsatz gespielt - und verloren. Von der ersten Begegnung an war er verrückt nach Fiona gewesen. Innerhalb einer Woche hatte er gewusst, dass sie die Richtige war, und mit dem ganzen Überschwang der Jugend hatte er sie gebeten, mit ihm durchzubrennen.
Zögernd hatte sie zugestimmt. Er hatte alle nötigen Vorbereitungen getroffen, eine sechsspännige Kutsche gekauft und am vereinbarten Treffpunkt auf sie gewartet. Die Nacht war vergangen, aber sie war nicht erschienen. An ihrer Stelle war, zusammen mit ihren beiden Brüdern, ein Gewitter gekommen, wie er noch nie zuvor eines erlebt hatte. Während es direkt über seinem Kopf donnerte und blitzte und ein Wolkenbruch auf ihn niederging, setzten Gregor und Alexander ihn brutal davon in Kenntnis, dass ihre Schwester es sich anders überlegt hatte.
Jack glaubte
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