Enthüllung
»aber ich muß dich leider unterbrechen. Ich bedauere es, dies sagen zu müssen, aber von dieser kleinen Show hier läßt sich niemand täuschen.« Sie machte eine weit ausgreifende Armbewegung über den ganzen Saal hinweg. »Und auch von deinen sog e nannten Beweisen nicht.« Jetzt hob sie die Stimme. »Du warst nicht dabei, als diese Managemententscheidungen von den klügsten Köpfen dieses Unternehmens getroffen wurden. Die diesen Entscheidungen zugrunde liegende Philosophie verstehst du überhaupt nicht. Und die völlig falsche Einstellung, die du diesen Entscheidungen hier entgegenbringst, die sogenannten Memos, die du hier enthüllst, um uns zu überzeugen … davon läßt sich doch kein Mensch beeindrucken!« Sie warf ihm einen mitleidigen Blick zu. »Das ist alles nur leeres Gerede, Tom. Leere Worte, leere Phrasen. Im Grunde legst du hier doch nur eine Show hin, der jede Substanz fehlt. Glaubst du tatsächlich, du könntest hier reinkommen und der Führungsmannschaft Ratschläge erteilen, für die es längst zu spät ist? Ich sage dir: Das kannst du nicht!«
Garvin erhob sich abrupt und sagte: »Meredith –«
»Lassen Sie mich ausreden«, wies Meredith ihn zurecht. Ihr Gesicht hatte sich vor Wut gerötet. »Es ist nämlich sehr wichtig, Bob. Endlich sind wir am Kern all dessen, was in dieser Abte i lung falsch läuft. Ja, es wurden einige Entscheidungen getro f fen, die im Rückblick möglicherweise fragwürdig sind. Ja, wir haben innovative Verfahren ausprobiert und sind dabei vie l leicht zu weit gegangen. Aber das rechtfertigt kaum dein heutiges Benehmen, Tom. Diese kalkulierte, auf Manipulation hin angelegte Haltung eines einzelnen, der alles tun würde – wirklich alles –, um hochzukommen, um sich auf Kosten anderer einen Namen zu machen, der den guten Ruf eines jeden, der sich ihm in den Weg stellt, zu zerstören bereit ist, dieses rücksichtslose Verhalten, dessen Zeugen wir hier geworden sind … Davon läßt sich niemand täuschen, Tom, nicht eine Sekunde lang. Du hast uns aufgefordert, deinen haarsträubenden Theorien zu glauben, aber das werden wir nicht tun. Es ist falsch. Das alles ist völlig falsch. Und es wird bald auf dich zurückfallen. Es tut mir leid, aber es geht nun mal nicht, daß du einfach hierherkommst und so etwas tust. Das geht einfach nicht – und es hat ja auch nicht geklappt. Das ist alles.«
Sie machte eine Pause, um tief Luft zu holen, und ließ den Blick über den Tisch schweifen. Alle saßen schweigend und wie erstarrt da. Garvin hatte sich nicht wieder gesetzt; er sah aus, als stünde er unter Schock. Allmählich dämmerte es Meredith, daß etwas nicht stimmte. Als sie weitersprach, klang ihre Stimme leiser.
»Ich hoffe … ich hoffe, die Gefühle aller Anwesenden hier richtig wiedergegeben zu haben. Mehr hatte ich nicht beabsic h tigt.«
Wieder erntete sie nur Schweigen. Nach einer Weile sagte Garvin: »Meredith, würden Sie bitte kurz den Raum verlassen!«
Verblüfft starrte sie ihn an. Dann sagte sie: »Aber selbstve r ständlich, Bob.«
»Danke, Meredith.«
In kerzengerader Haltung verließ sie den Saal. Hinter ihr fiel die Tür ins Schloß.
John Marden beugte sich vor und sagte: »Mr. Sanders, bitte fahren Sie mit Ihrer Präsentation fort. Wie lange wird es Ihrer Ansicht nach dauern, bis das Montageband repariert und wieder voll funktionstüchtig ist?«
E s war Mittag geworden. Sanders saß, die Füße auf dem Schreibtisch, in seinem Büro und sah aus dem Fenster. Auf die Gebäude am Pioneer Square fiel grelles Sonnenlicht, der Himmel war klar und wolkenlos. Mary Anne Hunter, die diesmal ein Kostüm trug, kam herein und sagte: »Ich verstehe das einfach nicht.«
»Was denn?«
»Dieses Videoband mit den Nachrichten. Meredith muß doch gewußt haben, daß es existiert. Sie war doch dabei, als die Aufnahmen entstanden.«
»Natürlich wußte sie es. Aber sie hielt es für unmöglich, daß ich es mir beschaffen könnte. Und sie dachte, sie sei darauf nicht zu sehen. Sie glaubte, daß sie nur Phil gefilmt hätten. Du weißt schon – islamisches Land und so. Wenn sie dort etwas über Führungskräfte bringen, werden normalerweise immer nur Männer gezeigt.«
»Aha. Aber?«
»Channel 3 ist ein staatlicher Sender«, erklärte Sanders. »Und in dem kurzen Film ging es darum, daß der Staat aus den Verhandlungen über Veränderungen in der DigiCom-Fabrik nur zum Teil erfolgreich hervorgegangen war – daß die ausländ i schen Unternehmer unbeugsam und
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