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Enthuellungen eines Familienvaters

Enthuellungen eines Familienvaters

Titel: Enthuellungen eines Familienvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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sind in dieser Dose. Und jede Zigarette stellt ein menschliches Wesen dar, und eine Zigarette ist wie die andere, und die Menge des Tabaks stellt die Menge der jedem menschlichen Wesen zugemessenen Zeit dar. Identisch für alle. Schau, Giovannino: das Schicksal nimmt nun eine von diesen Zigaretten und zündet sie an; so beginnt ein Leben, seine Stunden und Minuten zu verbrennen, und die Stunden und Minuten sind die Asche der Zeit. Wie lange wird es dauern? Das hängt vom Schicksal ab; das Schicksal kann sie nach zwei Zügen wegwerfen, kann sie wegwerfen, wenn die Zigarette zur Hälfte verbrannt ist, kann sie erst wegwerfen, wenn die Zigarette beim letzten Tabakkrümelchen angekommen ist. Jeder von uns ist eine angezündete Zigarette zwischen den Lippen des Schicksals. Wie wird unser Stummel sein? Das ist die beängstigende Frage, die sich jeder vorlegen muß.“ Carlotta erschien abermals. „Vierzig Uhr!“ verkündete sie.
    Margherita machte eine ungeduldige, hastige Bewegung.
    „Mein Gott, wie diese verdammte Zeit verfliegt!“ rief sie. Und mit einer wütenden Geste warf sie die Zigarette, die sie eben angezündet hatte, weg. Aber dann sprang sie sogleich auf und holte sie wieder und steckte sie wieder zwischen die Lippen. „Giovannino!“ rief sie, „denkst du nicht, daß ich dein Schicksal sein könnte und daß das die Zigarette deines Lebens sein könnte?“
    Ich stäubte mit dem Finger die Asche von der Zigarette, da auch ich mir eine angezündet hatte.
    „Und du, Margherita, denkst du nicht, daß ich dein Schicksal sein und daß das die Zigarette deines Lebens sein könnte?“
    Margherita seufzte schmerzlich.
    „Es ist schrecklich“, stöhnte sie.
    Nun war ich am Ende der Zigarette angekommen und legte den Stummel in den Aschenbecher.
    „Giovannino!“ rief Margherita und sah den Stummel ängstlich an. Ich nahm den Stummel wieder und begann weiterzurauchen. Wir rauchten schweigend; als die Stummel nur noch sechs Millimeter lang waren, spießten wir sie auf Stecknadeln und fuhren fort zu rauchen. Auf einmal war das Papier meines Stummels zu Ende, und ich ließ die Glut zu Boden fallen, Margherita machte hingegen noch drei Züge, und als auch die Glut ihres Schicksalsstummels zur Erde fiel, lächelte Margherita bitter.
    „Die Männer...“ sagte sie sarkastisch. „Wir Frauen sind anders.“
    „Ihr Frauen habt keinen Schnurrbart“, entschuldigte ich mich. „Er war knapp daran, Feuer zu fangen...“
    „Neunundfünfzig Uhr!“ verkündete Carlotta.
    „Die Stunden sind die Asche der Zeit“, sagte Margherita leise. „Eines Tages wird das Schicksal, das meine Zigarette raucht, den Stummel wegwerfen, der im Kot erlöschen wird. Hoffen wir, daß mein Schicksal keinen Schnurrbart hat...“
    Hier müssen wir Margherita verlassen und uns ein wenig mit Carlotta beschäftigen, die sich im Augenblick nicht für schicksalsschwere Zigaretten, aber immerhin auch für Probleme interessiert, die mit dem unerbittlichen Hinströmen der Zeit in Zusammenhang stehen.
    Eines Tages war Albertino nämlich sehr erregt aus der Schule heimgekommen, hatte die Schultasche auf den Fußboden des Vorzimmers geschleudert und war ganz verwirrt ins Zimmer gestürzt. Carlotta folgte ihm, und der Widerhall einer lautstarken Diskussion drang an mein Ohr. Hierauf wurde alles still; einige Minuten später erschien Albertino an der Tür meines Arbeitszimmers und teilte mir keuchend mit: „Zwölf Uhr siebenunddreißig Minuten!“ Dann erschien Carlotta und schrie’ „Siebenunddreißig Uhr!“
    Ich freute mich über die interessante Mitteilung.
    Kurz darauf hatte ich das Vergnügen, Albertino wiederzusehen, der mir sagte, es sei zwölf Uhr achtunddreißig Minuten. „Achtunddreißig Uhr!“ teilte Carlotta mir eine Sekunde später mit. Ich bin überzeugt, daß in jeder Schule ein ausgezeichnetes „Informationszentrum für Delikte“ besteht. Gäbe es das nicht, so würde Albertino beispielsweise nichts von der Existenz und Verwendung jener teuflischen Flüssigkeit wissen, die, über einen Sesselsitz gegossen, den unglücklichen Familienvater beinahe anfrieren läßt, wenn er sich ohne jeden Argwohn zu Tische setzt, oder von jener Schweinerei in Pulverform, die, in die Hemden eines unglücklichen Familienvaters gestreut, diesem ein wütendes Bedürfnis verursacht, sich mit einer Feile oder etwas Ähnlichem den Rücken zu kratzen. Wenn es dieses „Informationszentrum für Delikte“ nicht gäbe, hätte Albertino nicht gelernt, daß es

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