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Enthuellungen eines Familienvaters

Enthuellungen eines Familienvaters

Titel: Enthuellungen eines Familienvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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jetzt genügt, am Telefon die Nummer 060 zu wählen, um von einer Schallplatte freundlich die genaue Zeit mitgeteilt zu bekommen, eine Nummer, die teuflisch leicht zu merken ist, auch für Analphabeten, die sie mit ihrem kleinen, aber gierigen, dreieinhalb Zentimeter langen Finger bequem wählen können, wenn sie auf einen Sessel steigen. So sind sie dann imstande, dem Vater die genaue Zeit mitzuteilen, die aus technischen Erfordernissen auf die Minuten allein reduziert wurde. „Zweiundvierzig Uhr.“
    Carlotta ist zähe. Sie besitzt die Charakterfestigkeit einer Vierzigjährigen. Um elf Uhr zweiunddreißig Minuten abends schied Albertino aus dem Rennen aus und endete erbärmlich im Bett. Drei Minuten später erschien, frisch wie eine Rose, Carlotta in der Küche und verkündete: „Fünfunddreißig Uhr!“
    Der Rest ist bekannt. Wir können also wieder bei neunundfünfzig Uhr anknüpfen und bei dem sarkastischen Satz Margheritas: „Hoffen wir, daß mein Schicksal keinen Schnurrbart hat...“ Es war praktisch vierundzwanzig Uhr; Carlotta wurde von Margherita erwischt und ins Bett gejagt. Hierbei gab es eine heftige Diskussion zwischen den beiden Frauen, und schließlich kehrte Margherita siegreich, aber verärgert zurück. „In diesem Haus erfährt man doch nie, wie spät es ist“, teilte sie mir mit. Und ich gestehe es, ich wünschte für einen Augenblick, das Schicksal zu sein, um die Zigarette Margheritas zum Fenster hinunterzuwerfen.
    „Null sechzig!“ antwortete ich mit barscher Stimme. Es entspann sich die zu erwartende Diskussion, die auf der banalen Identität von 0,60 und 1 Uhr beruhte. Dann wurde das Mißverständnis aufgeklärt, wie Margherita die Nummer wählte und der Schallplatte erklärte, daß bei ihr alle Uhren stünden, und ob man ihr gefälligst sagen könne, wie spät es sei. Dann hörte ich sie beleidigt rufen: „Ja, ja, ich verstehe, natürlich!“ Dann hörte ich sie sagen: „Vielen Dank und gute Nacht!“ Dann hörte ich sie rufen: „Ungezogenes Weib, könnte wenigstens zurückgrüßen!“ Dann konnte ich mich endlich an die Maschine setzen, um meine Arbeit zu verrichten.
    Ich weiß nicht, wieviel Zeit verging; aber plötzlich hörte ich die Tür knarren.
    „Siebenundvierzig Uhr“, teilte mir Carlotta im langen Hemd sehr vorsichtig mit.
    Ich drückte ihr meine Dankbarkeit aus.
    „Während sie schläft, muß ich daran denken“, erklärte sie mir naiv. Ich sagte ihr, ich sei bewegt von ihrer Selbstverleugnung; doch riet ich ihr, Energie für die Zukunft zu sparen.
    „Es gibt ja auch morgen noch so viele Stunden“, erklärte ich ihr. „Aber die jetzt sind viel schöner, weil die anderen Leute schlafen und sie nicht abnützen“, erklärte Carlotta. Sie fügte noch einige Verdächtigungen bezüglich der Ernsthaftigkeit ihrer Mutter hinzu, dann ging sie wieder ins Bett.
    Ich nahm meine Arbeit auf und und brachte einiges fertig.
    Plötzlich hörte ich die Tür wieder knarren.
    „Drei Uhr“, sagte Carlotta.
    Ich schenkte ihr einen Rotstift, und sie ging.
    Im Morgengrauen hörte ich zu arbeiten auf und begab mich ins Badezimmer, um mir das Gesicht zu waschen, denn es war Zeit, aufzustehen; da fand ich Carlotta auf zwei Kissen schlafend, die unter dem Telefon auf dem Boden lagen.
    Venedig ist das, was es ist, und jeder kennt die Stadt, weil es genügt, einen Reiseführer anzuschauen. Andererseits ist auch Margherita das, was sie ist, aber darüber steht noch nichts im Baedeker, und so muß ich die venezianische Geschichte mit Margherita beginnen.
    Margherita hatte sich in meinem Arbeitszimmer zum Nähen neben das Radio gesetzt; ich döste auf der Couch. Plötzlich kam Albertino herein. Er hatte das Meßband seiner Mutter in den Händen, maß mich sorgfältig von Kopf bis zu den Füßen und lief fort. Kurz darauf kam er wieder, maß meine Schultern und verschwand. Offenbar war er aber nicht präzise genug gewesen, denn er kehrte alsbald mit einem Bleistift wieder. Er kontrollierte das Maß der Schultern und notierte es. Dann zählte er meine Hände, dann den Schnurrbart. Dann zählte er meine Ohren, dann die Augen und machte dazu Eintragungen in seinem Büchlein.
    Er schien mir sehr verdrießlich über die Tatsache, daß die Summe so oft zwei ergab, und war sichtlich erleichtert, als er feststellte, daß ich eine einzige Nase, einen einzigen Mund und drei Falten auf der Stirn hatte. Ich stellte mich die ganze Zeit schlafend; als er an mir nichts Interessantes mehr zu finden schien,

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