Enthuellungen eines Familienvaters
meiner Tür. Er war nun erfüllt von ehrlichem Abscheu gegen jeglichen Handel und versicherte, daß für den Mann nur ein Weg zum Erfolg führe, der Sport. Er zog Jacke und Hemd aus und zeigte mir seinen mächtigen Brustkasten und die gewaltigen Bizepse: „Darf ein junger Mann von meinen Qualitäten auf die Triumphe verzichten, die ihm die Boxerkarriere bietet?“
Er erläuterte mir die intime Schönheit des professionell betriebenen Sports, und um mir seine Fähigkeiten zu zeigen, wollte er, ich solle mich in Verteidigungsstellung begeben und seinen linken Geraden parieren. Ich gestehe, daß mir dies mißlang und daß mein Gesicht drei Wochen lang nett geschwollen war. Nach einem Monat kam mein Bruder, durchdrungen von einer tiefen Verachtung für den Sport, der die Menschen in Unmenschen verwandle. Er war zu der Überzeugung gekommen, daß die Zahnkaries nicht nur eine Geißel der Menschheit ist, sondern zugleich auch eine Goldgrube sein kann; er hatte einen Abendkursus absolviert und fühlte sich nun wie ein kleiner Gott. Ich ließ mir von ihm mein ganzes Gebiß in Ordnung bringen, und das kam mich ein bißchen hoch zu stehen, weil mein Bruder fast einen Monat daran zu arbeiten hatte; dafür kann ich heute nicht einmal mehr ein Biskuit kauen.
In der Folgezeit sah ich den leidenschaftlichen jungen Mann wieder, als er die Zahnheilkunde verachten gelernt und die Überzeugung gewonnen hatte, daß die Verwertung von Glasscherben zur Quelle enormer Reichtümer werden könnte. Er hatte sich deshalb entschlossen, eine Aktiengesellschaft zu gründen, überredete mich, die ersten zwölf Aktienpakete zu kaufen, und stellte mir gewaltige Dividenden in Aussicht. Einen Monat darauf sah ich ihn als Gründer einer großen Zeitung, deren erster Abonnent ich selbstverständlich wurde, dann als Erbauer eines großen Wohnhauses, in dem ich eine Wohnung anzahlen mußte. Später versicherte er mir, daß man durch den Handel mit antiquarischen Büchern ein Vermögen erwerben könne, und übernahm alle Bände meiner Bibliothek in Kommission. Neulich stürmte mein Bruder in mein Haus und schwor, man dürfe im Leben keine Vorurteile haben und könne mit der Leichenbestattung spielend Millionen erwerben.
Da wurde ich unruhig und bat die Hausbesorgerin, wenn jemand mit einem Sarg erscheinen sollte, möge sie ihn wieder fortschicken. Es ist nur recht und billig, daß ich der einzige Kunde meines Bruders bin; aber alles hat seine Grenzen. Nichts ist ohne Schattenseiten, also auch das Heim nicht, das mir so viele Befriedigungen verschafft. Doch die Schattenseiten erscheinen unerheblich, wenn man bedenkt, daß mein Bruder trotz seiner achtunddreißig Jahre ein sympathischer und sehr tüchtiger junger Mann ist. Und außerdem hat er sich ja im Laufe von zwei Jahren nur an die dreißigmal sehen lassen.
Im ganzen bin ich vollkommen befriedigt, denn heute bin ich kein Sandkorn mehr in der Gewalt des mailändischen Wirbelwindes; ich bin ein Jemand.
Ich bin Kunde. Ich bin Konsument. Ich bin Publikum. Und wenn ich nach getaner Arbeit und nach Einnahme der Mahlzeit im Lehnstuhl des Salon-Arbeitszimmer-Empfangsraum-Wohnzimmers die Zeitung aufschlage und die lange Liste der Kinos und Theater anschaue oder die Schilderung des Projekts für den Mailänder Hafen lese, rufe ich befriedigt: „Das machen sie für mich, damit ich mich nach der Arbeit vergnüge, damit ich einen Sechstausend-Tonnen-Kreuzer anlegen sehen kann!“
Die süße Gefährtin meiner Tage und Mitternächte, der es nach zwei Jahren noch immer nicht gelungen ist, unsere Koffer zu holen, sieht mich dann lächelnd an, und ihre großen schwarzen Augen scheinen zu sagen: „Giovannino, Giovannino...“
Glanz und Elend des Autobesitzers
Nein, ich werde es nie so weit bringen wie Herr F., der bettelarm aus der Heimatstadt auszog, wohlhabend zurückkehrte und den ganzen Tag lang herumspazierte, gefolgt von acht offenen Lastwagen mit einem kunstvollen Arrangement von Möbeln, Wäsche, Dienstmädchen, Telephon, Automobil, Fahrrad, Hund, den vergrößerten Photographien etlicher Bankbücher, vergrößerten Röntgenaufnahmen, aus denen hervorging, daß Herr F. keine inneren Schäden aufwies, und der gigantischen Photokopie seines vollkommenen Leumundszeugnisses.
So etwas liegt mir nicht; aber im Grunde meines kleinen ehrenwerten Angestelltenherzens hegte ich das Projekt, auf halbwegs respektable Art und Weise in meine Geburtsstadt zurückzukehren. Eines Abends hatte ich mit Margherita
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