Enthuellungen eines Familienvaters
dreitausend Lire. „Danke, tausend genügen. Ich werde sie Ihnen noch heute durch meinen Chauffeur ins Haus schicken. Ich habe noch nie einen so höflichen Mann wie Sie getroffen. Wenn Sie es eines Tages satt haben, den Journalisten zu spielen, kommen Sie zu mir; ich kann Ihnen jederzeit in meiner Buchhaltung einen Posten anbieten.“
„Ich habe es satt, den Journalisten zu spielen“, teilte ich ihm mit. „Wie Sie gesehen haben, wollte ich schon heute morgen etwas in der Rohrdampfkesselbranche unternehmen, um umzusatteln.“
Wir wurden schnell einig. Mein Gehalt war sehr anständig. „Morgen früh um neun erwarte ich Sie“, sagte der Industrielle beim Abschied.
„Ich werde pünktlich erscheinen“, versicherte ich.
Als ich Margherita zu Mittag mitteilte, daß ich eine Stellung gefunden hätte, wunderte sie sich nicht. Sie fand es ganz natürlich. „Geht in Ordnung; wir müssen also heute nur noch eine anständige kleine Wohnung finden.“
Eine Wohnung zu finden, sollte in Mailand nicht schwierig sein, denn es fehlt gewiß nicht an Häusern. Es kann Ihnen in Mailand sogar immer wieder passieren, daß Sie abends, wenn Sie von der Arbeit heimkehren, in der Straße, die Sie auswendig kennen, mit der Nase an ein Haus stoßen, das in der Früh noch nicht dagewesen ist.
Man muß in dieser außergewöhnlichen Stadt beim Gehen aufpassen. Die Häuser schießen unglaublich schnell in die Höhe; ist der Baugrund gekauft und von jedem Hindernis frei gemacht, markiert man mit Gips auf der Erde den genauen Plan. Aus dem Boden wächst sodann der Metallkäfig des Lifts, der alsbald funktioniert. Es ist alles bereit: Sie treten in die Liftkabine ein, drücken auf den Knopf des vierten, fünften oder sechsten Stockwerkes, steigen oben aus und suchen die Tür, die Sie interessiert. Während der Zeit, die der nützliche Mechanismus gebraucht hat, um hinaufzusteigen, ist das große Wohnhaus gebaut worden. Natürlich muß man in Betracht ziehen, daß die Aufzüge nicht übermäßig schnell gehen und daß sie, um zum Beispiel in den fünften Stock zu gelangen, immerhin zwei bis zweieinhalb Minuten brauchen.
Die großen Wohnhäuser bestehen jedoch fast immer aus Eigentumswohnungen, und die sind schon alle verkauft, bevor die Fundamente gelegt werden. Man geht in das Büro der Baugesellschaft, nimmt Einsicht in den Bauplan und trifft seine Wahl. Man sagt: „Mir gefällt diese Wohnung hier rechts neben dem Tintenfleck“, man macht dort ein Kreuz mit rotem Bleistift (nicht mit schwarzem, denn es ist oft vorgekommen, daß die Baumeister diese Zeichen auf ihre Art auslegten und mitten in einem großen Zimmer sonderbare, vollkommen überflüssige Wände errichteten), man bezahlt und geht.
Oft sieht man ehrenwerte Herren mit Verwandten und Freunden ihre künftigen Wohnungen besichtigen. Sie bleiben an einem Bretterverschlag stehen und zeigen mit dem Finger nach oben: „Siehst du diese Wolke? Dort ist die gute Stube. Weiter rechts der Lichtstreifen ist das Speisezimmer. Genau da, wo die Taube fliegt, ist das Schlafzimmer...“
Kein Nachmittag, ja nicht einmal eine Woche oder ein Monat reicht jedoch aus, um eine nette Wohnung zu finden, wenn nicht außerordentliche Umstände eintreten oder vernünftige Überlegung triumphiert. Ich ging zum „Entern“ einer Wohnung allein in die Stadt; Margherita mußte, wie sie mir erklärte, die Auslösung des Gepäcks vollenden. Ich beschloß, das allervernünftigste System anzuwenden, nämlich Mailand in Sektoren einzuteilen und dann systematisch in sämtliche Portierlogen zu treten und zu fragen: „Ist hier eine Wohnung zu vermieten?“
Ich verwarf den Gedanken, mich einer Agentur zu bedienen, aus der einfachen Überlegung heraus, daß ich dann nicht nur eine Wohnung, sondern auch noch eine Agentur hätte finden müssen. Ich entschloß mich also, die direkte Methode anzuwenden. Nachdem ich mir das Stadtviertel ausgesucht hatte, das mir am meisten zusagte, und das Haus bestimmt hatte, das die der Höhe meines Einkommens entsprechenden Eigenschaften besaß, trat ich ehrerbietig in die Portierloge.
„Verehrteste“, fragte ich die Hausbesorgerin höflich, „ist in diesem Haus eine Wohnung zu vermieten?“
„Wenn in einem Haus eine Wohnung frei ist, wird draußen ein Zettel angeheftet, der die Bevölkerung von dem Ereignis in Kenntnis setzt“, antwortete die Hausbesorgerin unfreundlich.
Ich legte ein Zwei-Lire-Stück auf den Tisch.
„Ich verstehe, Verehrteste“, entgegnete ich,
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