Entmündigt
Bruno auf geheimnisvolle Weise sterben lassen, du hast Gisela lebend zur Toten gemacht … glaubst du, daß wir stillhalten, um die Nächsten zu sein?«
»Welche Verdächtigungen!« Peltzner stieß sich von der Kaminwand ab. Aber er blieb mit aufgerissenen Augen stehen, als er in der Hand Heinrichs einen Revolver sah. »Was soll das …?« stotterte er. »Anna … sag deinem labilen Sohn, er soll das Ding wegstecken!«
»Kennst du es? Es ist der Revolver, mit dem du vor einigen Tagen in deinem Schlafzimmer geschossen hast, um Gisela einen Mordversuch in die Schuhe schieben zu können.« Heinrich Fellgrub sah in die flatternden Augen seines Onkels. Es war ihm eine Wonne, in diesem irrenden Blick die schreckliche Angst zu lesen, die von Peltzner Besitz ergriff.
»Es ist schäbig, darüber zu sprechen«, sagte Fellgrub. »Ich schäme mich fast, es zu tun. Aber nachdem wir so tief im gemeinsamen Sumpf sitzen, hat es keinen Sinn, noch edel zu sein oder den Rest Anständigkeit zu retten! Kurzum: Wir verlangen die Auszahlung unseres Anteils! Sofort! Mit der gleichen Gründlichkeit, mit der du dein Vermögen zu retten versuchst.«
»Wie die Geier!« schrie Peltzner. »Kerl, tu die Waffe weg! Du glaubst doch nicht …« Er ging auf Heinrich zu, hob die Faust und schlug auf den Arm, der den Revolver hielt. Der Hieb saß, aber gleichzeitig löste sich ein Schuß. Die Detonation hallte in der großen Diele wider und wurde wie ein zweiter Schuß vom oberen Stockwerk aus als Echo zurückgeworfen. Peltzner zuckte zusammen, taumelte an die Kaminwand und preßte beide Hände vor den Mund. Sein linkes Bein zuckte heftig. Um den Schuh bildete sich schnell eine rote, aus dem Hosenbein sickernde Pfütze.
Erstarrt sahen auch Heinrich und Anna auf den Revolver, der bei dem Schlag losgegangen war. Noch immer hielt Heinrich die Waffe umklammert, den Finger am durchgezogenen Abzug.
»Ins Bein …«, sagte Anna leise. »Du hast ihn ins Bein geschossen …«
»Und ich werde ihn auch in den Kopf schießen, wenn er uns betrügen will!« schrie Heinrich. Es war mehr ein weinendes Schreien, als eine Drohung. Dann steckte er den Revolver wieder in die Tasche und legte den Arm um seine Mutter.
Ewald Peltzner rutschte an der Kaminwand herunter auf einen Sessel. Sein dickes, bleiches Gesicht verlor jegliche Form.
»Morgen … in meinem Büro …«, sagte er mühsam. »Holt doch einen Arzt …«
Mit steifen Beinen ging Anna Fellgrub zum Telefon und wählte eine Nummer. Während sie sprach, sah sie zu ihrem Bruder hinüber.
»Ja, Doktor, ja, hier Peltzner. Bitte, kommen Sie doch sofort herüber. Zu meinem Bruder, ja. Er hat einen Jagdunfall gehabt …«
In seinem Sessel verlor Peltzner das Bewußtsein.
Als Dr. Hartung wie jeden Morgen das Chefbüro betrat, war es nicht, wie jeden Morgen, leer – denn Peltzner kam nie vor zehn Uhr in den Betrieb –, sondern Ewald Peltzner saß hinter seinem Schreibtisch, etwas eingesunken, blaß. Er stand nicht auf, als sein zukünftiger Schwiegersohn eintrat, sondern schob nur die Unterlippe vor.
»Du Lump …«, sagte er leise.
»Nanu?« Dr. Hartung blieb an der Tür stehen. »Hast du gestern wieder ein paar Whiskyflaschen ausgeblasen? Ich bin's, Gerd … huhu! Soll ich dir ein Tonic-Water kommen lassen?«
»Du warst noch nicht in deinem Büro?« fragte Peltzner und wurde rot von der Stirne bis zum Hals.
»Nein …«
»Um so besser!« Peltzner lächelte. Das Lächeln stand in seinem gedunsenen, roten Gesicht wie ein Grinsen. Mit beiden Händen griff er in die aufgezogene Schublade und legte einige kleine Papiere auf die sonst leere Schreibtischplatte. »Überweisungen an die Bank von Tunis. Fotokopien …« Peltzners Stimme war jetzt kaum noch hörbar. »Ich habe deinen Schreibtisch aufgebrochen …«
*
Gerd Hartung schob die Hände in die Hosentaschen. Ewald Peltzner streckte den Kopf vor. Er blieb sitzen. Noch wußte Hartung nichts von dem Schuß Heinrich Fellgrubs, der Peltzner bewegungsunfähig gemacht hatte. Unter dem Hosenbein trug er eine Schiene und einen dicken Verband. Frühmorgens, ehe die Angestellten kamen, hatte sich Peltzner ins Büro tragen lassen. Zuerst in Hartungs Zimmer, wo er alles aufbrach, was verschlossen war, dann in das Chefbüro, wo er nun saß und Abrechnung mit Hartung hielt.
»Warum sagst du nichts?« brüllte Peltzner heiser.
»Was soll ich noch sagen? Du weißt es ja jetzt …«
»Du hast also Gisela zur Flucht verholfen?«
»Ja.«
»Du hast das Geld
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