Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entmündigt

Entmündigt

Titel: Entmündigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
auf den Gang hinaustrat. Er prallte auf den Chefbuchhalter, der ratlos vor dem abgestellten Aufzug stand.
    »Herr … Herr … Doktor …«, stammelte er. »Was ist denn? Überall … und Sie sind hier … Herr Doktor, ich muß …«
    »Ich weiß. Es ist schon gut. Kommen Sie mit … wir gehen jetzt gemeinsam zu Herrn Peltzner. Ich werde sagen, Sie hätten mich eingefangen. Dann bekommen Sie eine Gehaltserhöhung …« Er lächelte bitter. »Wieviel Kinder haben Sie?«
    »Fünf, Herr Doktor …«
    »Na, sehen Sie, dann tue ich noch ein gutes Werk, bevor ich ins Gefängnis gehe.«
    »Was … was haben Sie denn angestellt, Herr Doktor?« stotterte der Chefbuchhalter.
    »Mich für die Wahrheit eingesetzt.« Dr. Hartung hob die Schultern und klopfte dem Buchhalter auf den Rücken. »So ist das nun mal, lieber Freund: Das größte Verbrechen ist nicht der Mord, sondern die Wahrheit. Denn die ist mehrfach tödlich. Und nun kommen Sie zur Gehaltserhöhung …«
    In St. Tropez hatte das Telegramm Peltzners etwas Unheilvolles ausgelöst. Zum erstenmal hatte sich Peltzner geirrt. Monique steigerte sich nicht in eine Wut gegen Hartung hinein, sie saß fast eine Stunde stumm und weinend am Fenster ihres Hotelzimmers, hielt das schicksalsschwere Papier in ihren Fingern und starrte hinaus auf das Meer, über die Klippen, gegen die das Wasser schäumend anrannte.
    Sie faßte einfach nicht, was ihr Vater telegrafiert hatte, und doch hatte es seine Logik, und es war nötig, sich mit der Wahrheit abzufinden. Alles war plötzlich so grauenhaft klar: Das Kennenlernen, die Liebesstunden, Gerds Eintritt in das Geschäft und die damit vorbereitete Möglichkeit, an alles Material heranzukommen, das er benötigte. Um was für Material es sich handelte, wußte Monique nicht. Gisela war geisteskrank … sie hatte es bisher geglaubt. Manchmal waren ihr Zweifel gekommen, gewiß, aber immer hatte sie sich beruhigt mit dem Gedanken: Papa macht es schon richtig. Er tut nichts Unrechtes.
    Alles, was sie gehört hatte und was geschehen war in den vergangen Monaten, hatte sie in einer fast kindlichen Naivität aufgeschrieben. In einem Tagebuch, von dessen Existenz niemand etwas wußte. Sie trug es immer mit sich herum, wenn sie auf Reisen ging, und versteckte es unter ihrer Leibwäsche im Schrank. In der letzten Zeit bestanden die Eintragungen nur noch aus glückseligen Ausrufen. Die Liebe zu Gerd Hartung hatte sie für die Vorgänge in ihrer Umgebung blind gemacht. Aber da gab es noch Notizen von ihrer Hand, die sie hingekritzelt hatte, ohne sich viel dabei zu denken:
    »Heute war die ganze Familie hier. Alle waren so aufgeregt. Papa sagte, Gisela muß in eine Irrenanstalt. Es sei der einzige Ausweg. Die Familie müsse sich nur einig sein. Dann fragte er uns alle. Ich sagte ja, weil Tante Anna und Heinrich es auch sagten. Papa versprach mir dafür eine Segeljacht. – Die arme Gisela. Nun wird sie weg müssen …«
    Solche Stellen gab es eine ganze Reihe in dem Tagebuch, bis Dr. Hartung in Moniques Leben getreten war.
    Nun war diese schöne Welt des Glücks jäh wieder zusammengebrochen. Mit einem Telegramm zerstört und vernichtet.
    Monique zerknüllte das Papier und warf es fort. In ihr war es leer, und der Herzschlag dröhnte in ihr wider, als wären es Paukenschläge in einer riesigen leeren Halle.
    Plötzlich bekam sie es mit der Angst zu tun. Sie zog ihren Segeldreß an und eilte aus dem Hotel.
    Im Hafen ließ sie die Leinen ihrer kleinen, neuen Jacht loswerfen und glitt in dem frischen Wind langsam hinaus auf das Meer. Hinter den Klippen drehte sie die Segel voll in den Wind.
    Während das Wasser am Bug emporschäumte, saß Monique mit angezogenen Beinen neben der kleinen Kajüte auf den Planken und starrte vor sich hin. Die Leinen hatte sie festgezurrt. Dann weinte sie wieder, drückte das nasse Gesicht gegen die Kabinenwand und umklammerte die kleine Positionslampe auf dem Dach. Sie merkte nicht, wie der Wind sich drehte, wie er stärker wurde und das schlanke Boot auf die Seite drückte.
    Erst als sie zu rutschen begann, fiel ihr auf, wie sich die Segel zum Bersten blähten. Monique riß die Leinen los, umsonst.
    Sie sah keine Felsen mehr, nur ein grünlich schimmerndes Meer mit heranrollenden Wogen und weißen, über das Deck spritzenden Kämmen. Sie sah einen dunklen Himmel, über den die Wolken jagten …
    »Hilfe!« rief Monique. »Hilfe! Hilfe!«
    Sie hielt sich an der Kajüte fest, übersprüht von den Wellen, und verfolgte mit

Weitere Kostenlose Bücher