Entrissen
Boden.
Erleichterung durchflutete ihn. Er lief zu ihr, fiel neben ihr auf die Knie, legte den Hammer beiseite und zog sie in seine Arme.
»Oh mein Gott, Marina ...« Er hielt sie fest an sich gedrückt. »Ich habe dir doch gesagt, ich würde dich nicht im Stich lassen ...«
Aber er spürte, dass Marina angespannt war. »Er ist noch hier, Phil«, flüsterte sie panisch. »Er ist hier noch irgendwo ...«
Phil ging neben ihr in die Hocke. Er wollte sie etwas fragen, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. Jemand hatte sich von hinten auf ihn gestürzt.
»Phil!«
Er spürte zwei Hände um seinen Hals, die ihm die Luft abdrückten, hörte ein animalisches Brüllen. Ihm schwindelte. Seine Hände fuhren an seinen Hals, versuchten, den Griff des Angreifers zu lockern, aber es gelang ihm nicht.
Phil ließ die Taschenlampe fallen, tastete nach dem Hammer, konnte ihn aber nicht finden.
Der Lichtstrahl der Taschenlampe warf die gesamte Szene als groteskes Schattenspiel an die Wand. Den Mann hinter sich sah er nur als riesenhaften Schatten. Er musste sich wehren.
So fest er konnte, rammte er dem Angreifer den Ellbogen in den Magen. Der Mann stöhnte vor Schmerz, und der Griff um Phils Hals lockerte sich ein wenig. Phil nutzte seinen Vorteil und stieß erneut zu. Der Griff lockerte sich noch weiter. Dann packte er die Daumen des Mannes und bog sie mit einem kräftigen Ruck von den übrigen Fingern weg.
Der Mann heulte vor Schmerz auf wie ein wildes Tier. Phil drehte immer weiter an den Daumen, bis er es knacken hörte. Dann ließ er los und entwand sich seinem Angreifer. Er kam auf die Füße und stellte sich vor ihn.
Der Mann war älter, als Phil vermutet hatte, groß, stämmig gebaut und vollständig kahl. Er sah aus wie eine ältere Version von Hester. Phil wusste sofort, um wen es sich handelte. Laurence Croft. Hesters Vater. Hesters Ehemann.
Es gab ihn tatsächlich. Sophie hatte sich geirrt.
Oder sie hatte ihn belogen.
Croft stürzte sich auf ihn. Phil versuchte, ihm auszuweichen, aber Crofts Rechte traf ihn mitten ins Gesicht. Von der Wucht des Schlags geriet Phil ins Taumeln, verlor das Gleichgewicht und landete hart auf dem Rücken. Die Luft blieb ihm weg, er spuckte Blut und einen Zahn.
Dann saß Croft auf ihm, die Faust zum nächsten Schlag erhoben. Phil versuchte, dem Schlag auszuweichen, war jedoch zu langsam. Er spürte, wie knirschend sein Nasenbein brach. Blut begann aus seiner zerschundenen Nase zu sickern.
Verzweifelt versuchte Phil, sich aufzusetzen, sich zu wehren, aber in seinem Kopf drehte sich alles.
Croft lachte und holte zu einem weiteren Schlag aus. Phil wusste, er würde reichen, um ihn endgültig außer Gefecht zu setzen - oder sogar zu töten.
Dann erstarrte Croft.
Er riss die Augen auf, und sein Kopf zuckte zur Seite. Die Arme fielen herab.
Phil blinzelte verwirrt.
Wieder zuckte Crofts Kopf, seine Augen wurden noch größer.
Dann noch einmal.
Schließlich verdrehte er die Augen und kippte zur Seite. Der dumpfe Schlag, mit dem er auf dem Boden aufkam, schien von den Wänden des engen Raums widerzuhallen.
Phil sah hoch. Über dem reglosen Körper von Laurence Croft stand Marina. In der Hand hielt sie den Hammer, den er nicht hatte finden können. In Crofts Kopf klaffte eine blutige Wunde.
Der Hammer fiel zu Boden. Phil erhob sich und trat zu ihr. Hielt sie in seinen Armen, noch bevor die Tränen flössen. Ihre und seine.
86
Der November ging in den Dezember über, und Weihnachten stand vor der Tür. Doch Phil war nicht in Festtagslaune.
Er saß allein in seinem Wohnzimmer, in dem das einzig Weihnachtliche ein paar Grußkarten von Kollegen und von Don und Eileen waren. Daneben lag ein Umschlag von Marina. Er öffnete ihn und zog einen Brief heraus.
Phil seufzte und beschloss, ihn vorerst nicht zu lesen - zumindest nicht ohne Unterstützung. Also ging er in die Küche, holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank und nahm es mit zurück zum Sofa. Er schaltete die Stereoanlage ein. Er wusste noch genau, welches Album im CD-Player steckte.
Er schloss die Augen und rieb sich mit den Handflächen über das Gesicht. Seine Nase war fast verheilt. Der Rest würde etwas länger dauern. Er trank einen Schluck Bier und dachte an das, was seit jener Nacht in Wrabness alles passiert war.
In Crofts Manteltasche hatte er den Schlüssel zu einer Tür gefunden, die ihnen den Rückweg durch den Tunnel ersparte. Marina hatte offensichtlich große Schmerzen. Sie hielt sich die ganze
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