Entscheide dich, sagt die Liebe
erbost den Kopf. Paolo war ein herzensguter Mensch, aber sein zwanghaftes Herumgeflirte ging ihm auf den Keks.
» Mamma mia, du hoffnungsloser Spaßverderber. Du bist ja nur neidisch, weil du immer noch deiner Sofia nachtrauerst.« Er nippte an seinem Aperitif. »Diesem berechnenden kleinen Luder.«
Daniele spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. »Ich wüsste nicht, was deine Affären mit Sofia zu tun haben sollten.« Die Stichelei tat weh. Tat weh, weil ein wahrer Kern darin steckte. Vor einem halben Jahr hatte Sofia ihn verlassen. Trotzdem beherrschte sie nach wie vor sein Denken. Und war das etwa ein Wunder? Neun Jahre lang hatten sie einander täglich gesehen, hatten alles miteinander geteilt, Strafen, Belohnungen, Pausenbrote, Hausaufgaben, den ersten Kuss, die ersten ungeschickten Berührungen, den ersten scheuen Sex. Das konnte er nicht einfach wegwischen. Und abschalten konnte er seine Empfindungen auch nicht. Natürlich liebte er Sofia noch immer, wenn das Gefühl auch allmählich vergilbte wie eine alte Schwarz-Weiß-Fotografie.
»Du bleibst ihr treu, obwohl sie dich betrogen hat! Ach was, geopfert hat sie dich, ihren unrealistischen Karrierewünschen geopfert.«
Was sollte Daniele darauf sagen? Es stimmte schon, im vergangenen Jahr hatte Sofia sich verändert. Sie hatte in einem Werbespot für Haarshampoo mitgewirkt und dieser im Grunde lächerliche Erfolg war ihr zu Kopf gestiegen. Im Herbst hatte sie ihren sicheren Sekretärinnenjob an den Nagel gehängt und war nach Bologna gegangen, auf die Schauspielschule. Mit diesem Kerl! Einem Regisseur, der sie nur ausnutzte. Und obwohl Daniele bitter enttäuscht war, dass sie so leichtfertig mit ihm Schluss gemacht hatte, wartete er insgeheim noch immer darauf, dass sie ihren Fehler einsehen und zu ihm zurückkommen würde.
»Du würdest sie wahrscheinlich mit offenen Armen empfangen, wenn sie angekrochen käme. Stimmt’s?«
»Das verstehst du nicht. Weil dir Beständigkeit und Treue nichts bedeuten.«
»Falsch. Die Beständigkeit unserer Freundschaft bedeutet mir sehr viel. Und als Freund rate ich dir, dich endlich nach einem anderen Mädel umzusehen.« Paolo boxte ihm spielerisch gegen die Schulter. »Warum triffst eigentlich du dich nicht mit der Kellnerin? Offensichtlich ist sie auf der Suche. Großzügig, wie ich bin, würde ich sie dir natürlich überlassen.«
»Nein, danke, zu gütig von dir. Aber sie ist nicht mein Typ. Zudem hat sie dich angeschmachtet, dich allein.«
»Na gut, dann werde ich mein Schicksal wohl annehmen müssen.« Er fasste sich theatralisch an die Brust. »Aber zuerst musst du mir helfen, einen Brief an den Engel zu schreiben. In ihrer Muttersprache. Bitte, amigo, verschwende ein wenig von deinen Sprachkenntnissen und deiner eleganten Formulierungskunst an mich.«
Daniele musterte seinen Freund und runzelte die Stirn. Paolo war unmöglich. Das ganze Gegenteil von ihm. Vermutlich mochte er ihn gerade deshalb so gern. Und wenn man sein breites Grinsen sah, konnte man ihm sowieso nicht böse sein. »Na gut«, sagte er schließlich. »Ich mach’s. Aber ich prophezeie dir, dass es nicht klappen wird. Dein Engel ist nämlich arrogant und unnahbar. Du wirst wieder einen Korb bekommen.«
Paolos Augen blitzten auf. »Die Frau, die den Verführungskünsten des Conte Minotti dauerhaft widerstehen kann, muss erst geboren werden. Wollen wir wetten, dass ich es schaffe, sie in meinen Palazzo zu locken?«
Daniele nahm die ausgestreckte Hand und drückte sie. »Du verlierst. Diesmal verlierst du.«
Wenn er sich nicht sehr täuschte, war Clara Prachensky eine tolle Musikerin auf dem Sprung zur großen Karriere. Eine ernsthafte, zielstrebige Person, die in ihre eigene Welt eingesponnen war. Mit den Tussis, die Paolo normalerweise abschleppte und die sich von seinem Reichtum und dem Adelstitel blenden ließen, hatte sie nichts gemeinsam. Und obwohl Daniele seinem Freund jeden Erfolg gönnte, egal, ob es sich um Frauen oder um Geschäfte handelte, dachte er, dass ihm eine Schlappe vielleicht ganz guttun würde. Denn Paolo musste endlich lernen, dass er nicht jedes Spielzeug haben konnte, nur weil er genug Geld besaß, um es zu kaufen.
E s war neun Uhr zehn, als Clara in Salzburg aus dem Railjet sprang und ihren Koffer auf den Bahnsteig wuchtete. Dieser verdammte Mistzug hatte über eine Stunde Verspätung angehäuft. Wegen einer Betriebsstörung. Und sie hatte sich so gefreut, dass der Venezia-Vienna-Express, den sie haarscharf
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