Entscheidung im Palast des Prinzen
die ganze Nacht aktiv gewesen war.
Paige trat einen Schritt zurück und betrachtete sich von Kopf bis Fuß. Sie sah glücklich aus. Hübsch. Lag das an dem wunderbaren Sex? Dann hatte sie ganz schön viel verpasst.
Es klopfte laut an der Tür, und sie zuckte zusammen. „Ja?“, rief sie.
„Wir müssen los! Der Hubschrauber wartet.“
Alexej klang schroff und unpersönlich, und Paige bekam ein komisches Gefühl. Was auch immer sie nach diesem Abend erwartet hatte, es war ganz sicher nicht diese Gleichgültigkeit in seiner Stimme gewesen. Hatten sie nicht gerade etwas Wunderschönes miteinander geteilt? Und hatten sich an diesem Abend nicht auch ihre Seelen ein bisschen verbunden?
Zumindest hatte es sich für Paige so angefühlt, besonders, als er ihr mit diesem furchtbar traurigen Blick von seiner Familie in der Gruft erzählt hatte.
„Paige!“
„Ich komme“, rief sie und nahm sich vor, ihm nicht zu zeigen, wie sehr sie das alles berührte. Alexej verhielt sich bereits, als wäre es vorbei, und das würde sie auch tun.
Schnell wusch sie sich das Gesicht und zog sich an. Sie hatte ihr Haargummi nicht gefunden und konnte sich keinen Pferdeschwanz machen. Also fuhr sie sich nur mit den Fingern durchs Haar, bevor sie die Tür öffnete.
Alexej stand mitten im Raum und telefonierte schon wieder. Er war komplett angezogen – natürlich mit frischen Sachen, wodurch sich Paige billig fühlte. Selbst als sie ins Zimmer ging, sah Alexej nicht auf, und auch das tat weh.
Aber was hatte sie denn erwartet? Sie hatte doch gewusst, worauf sie sich einließ, als sie gesagt hatte, dass sie ihm gehören würde.
Schließlich sah er doch zu ihr. Irgendeine Regung huschte über sein Gesicht, doch dann wandte er den Blick wieder ab. Paige nahm ihren Mantel und wartete. Alexej bedeutete ihr, zur Tür zu gehen. Im Flur ließ Paige ihn vorangehen. Dabei drehte er sich kein einziges Mal zu ihr um, auch nicht, als sie die Treppe hinuntergingen.
Ihre Wangen fühlten sich ganz heiß an, aber aus einem anderen Grund als vorhin beim Hinaufrennen. Da hatten sie vor Aufregung geglüht, jetzt taten sie es vor Scham. Paige kam sich vor wie eine Hure, die Alexej für eine schnelle Nummer mit nach Hause genommen hatte und mit der er jetzt fertig war.
Stolz hob sie das Kinn. Sie wollte ihm nicht zeigen, wie sehr sie seine Gleichgültigkeit verletzte. Sie hatte keine Liebeserklärung erwartet, aber zumindest gedacht, dass er sich so verhalten würde, als ob sie gerade etwas sehr Schönes miteinander geteilt hätten.
An der reich verzierten Eingangstür in der Halle blieb Alexej stehen, steckte sein Handy weg und zog sich den Mantel an, den er mitgenommen hatte. Paige tat es ihm gleich. Sie setzte auch die Mütze auf und wickelte sich den Schal um. Als sie die Hände in die Taschen schob, bemerkte sie, dass sie ihre Handschuhe vergessen hatte. Aber deshalb würde sie nicht noch einmal zurückgehen. Dafür blieb ohnehin keine Zeit mehr.
Einer der Angestellten kam zu ihnen. Als der Mann ihnen die Tür aufhielt, wandte sich Alexej zu Paige um und nahm sie beim Arm.
„Pass auf, dass du nicht hinfällst“, sagte er beim Hinaustreten in die kalte Nachtluft.
„Gute Nacht“, rief der Mann ihnen noch auf Russisch nach, bevor er die riesige Holztür hinter ihnen schloss.
Ganz in der Nähe hörte man schon das Geräusch der laufenden Propeller. Als Alexej und Paige an Bord waren, hob der Hubschrauber ab und schwenkte nach rechts. Unter ihnen sah man das Palais der Woronows nur noch schemenhaft. Es wirkte ganz unwirklich im unberührten Schnee. Paige hätte es nicht gewundert, wenn sich plötzlich der Boden aufgetan und es verschluckt hätte.
Zwanzig Minuten später stiegen sie in Alexejs Privatjet um. Seit dem Verlassen des Palais hatte er kein Wort mehr mit ihr gesprochen. Stattdessen telefonierte er konzentriert und arbeitete gleichzeitig am Computer. Eine Stewardess fragte Paige, ob sie etwas trinken wolle.
Dankend lehnte sie ab. Nachdem die Frau weg war, schloss Paige die Augen, um sich ein bisschen auszuruhen. Obwohl sie nicht wusste, was Chad am nächsten Tag vorhatte, musste sie früh aufstehen, um bereit zu sein, falls es etwas zu tun gab.
Beim Gedanken an Chad bekam sie ein furchtbar schlechtes Gewissen. Sie hatte gedankenlos gehandelt und bereute es jetzt. Denn der Mann, für den sie ihren Job riskiert hatte, ignorierte sie komplett. Das kratzte an ihrem Stolz. Trotzdem war der einzige Mensch, dem sie einen Vorwurf machen
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