Entscheidung im Palast des Prinzen
Paige.
Aber es ärgerte sie auch. Wie konnte Emma sie einfach aus ihrem Leben ausschließen, nachdem sie so viel gemeinsam durchgestanden hatten? Paige verstand, dass Emma wütend war, dazu hatte sie schließlich auch allen Grund. Aber Paige glaubte auch fest daran, dass ihre Schwester sie irgendwann anrufen oder ihr wenigstens eine E-Mail schicken würde. Ohne diese Hoffnung hätte sie die endlosen Tage und Nächte nicht durchgestanden.
Und die Tage im Palast waren buchstäblich endlos. So hoch im Norden wurde es zu dieser Jahreszeit auch nachts nie richtig dunkel. Die Sommersonnenwende rückte näher, und es dämmerte zwar, aber am Horizont blieb es rosarot, bis die Sonne nach wenigen Stunden wieder aufging. Es war ein wunderbares Naturschauspiel, das Paige gern mit jemandem geteilt hätte.
Aber sie war allein, und zwar noch mehr als in ihren dunkelsten Stunden nach dem Tod ihrer Mutter. Natürlich gab es viel Personal, aber die Leute sollten sie bedienen und sich nicht mit ihr anfreunden. Wassili sah das nicht gerne. Er war sehr förmlich, verbeugte sich vor ihr und nannte sie „Prinzessin“, wie komisch sie sich dabei auch vorkommen mochte.
Man hatte Paige eine persönliche Assistentin zugeteilt, Marija, eine reservierte junge Frau, deren Aufgabe es war, sie in eine Prinzessin zu verwandeln, auf die Alexej stolz sein konnte. Jeden Tag bekam Paige von ihr Russischunterricht, Etikette- und Benimmstunden.
Heute fuhren die beiden Frauen zu einem Einkaufsbummel nach Sankt Petersburg. Paige freute sich darauf, auch, weil sie so endlich einmal aus dem Palast herauskam und etwas vom Land sah.
Die Fahrt in die Stadt dauerte ungefähr eine halbe Stunde. Marija saß ihr respektvoll gegenüber und sprach nur, wenn sie gefragt wurde oder wenn sie an Sehenswürdigkeiten vorbeikamen. Vor und hinter ihnen fuhr jeweils noch ein dunkler Wagen.
„Warum brauchen wir drei Autos?“, fragte Paige.
„Aus Sicherheitsgründen, Eure Hoheit.“
„Warum?“ Paige hatte es längst aufgegeben, Marija zu bitten, sie nicht mit „Eure Hoheit“ anzureden. „Ist es dort gefährlich, wo wir hingehen?“
„Ihr seid eine Prinzessin, und Euer Ehemann ist sehr reich. Da ist ein gewisses Sicherheitsaufgebot immer angemessen.“
Als sie den „Newskij Prospekt“, die große Einkaufsstraße von Sankt Petersburg, erreichten, bat Marija Paige, im Wagen zu warten, während das Sicherheitsteam eine Boutique überprüfte. Danach wurde Paige rasch in den hinteren Teil des Ladens geführt, und die Verkäuferinnen brachten ihr ein Kleidungsstück nach dem anderen zur Ansicht. Da Paige nicht wusste, wie sie sich als Prinzessin kleiden sollte, überließ sie Marija die Auswahl. Anschließend verbrachte sie mindestens eine Stunde damit, alles anzuprobieren. Als sie in einem bordeauxfarbenen Seidenkleid aus der Umkleidekabine kam, stand noch eine andere Frau in dem Hinterzimmer und betrachtete sie stirnrunzelnd. Paige bemerkte, dass Marija über die Anwesenheit der Fremden nicht begeistert war.
„Prinzessin Woronowa, darf ich Euch die Gräfin Koslowa vorstellen?“
„Das ist also die Amerikanerin, die Alexej geheiratet hat!“
So wie die Gräfin Alexejs Namen aussprach, fühlte Paige einen Stich im Herzen. Eifersucht? Dieses Gefühl wurde durch das Aussehen der Frau noch verstärkt. Sie war makellos, einfach perfekt. Viel mehr wie jemand, mit dem Alexej liiert sein sollte, als ich.
Überrascht stellte Paige fest, dass sie der Gedanke, Alexej könnte mit einer anderen Frau zusammen sein, ganz verrückt machte. Er war ihr immer noch fremd, trotzdem hatte sie manchmal das Gefühl, dass sie mehr verband als das Baby. Gleichzeitig kam es ihr dumm vor, so zu denken, weil er gar keinen Drang verspürte, zu ihr zurückzukommen. Bestimmt lebte er in Moskau sein Singleleben weiter, schlief jede Nacht mit einer anderen Frau und dachte überhaupt nicht daran, zu seiner langweiligen schwangeren Ehefrau zurückzukehren.
„Erfreut, Sie kennenzulernen“, sagte Paige auf Russisch.
Die Gräfin schien erstaunt über die Begrüßung in ihrer Landessprache. „Ganz meinerseits“, erklärte sie dann ebenfalls auf Russisch.
Paige bezweifelte allerdings, dass die Gräfin wirklich erfreut war, sie zu sehen.
„Sie müssen unbedingt zu meinem Salon kommen. Es gibt viele Leute, die Sie kennenlernen wollen.“
Darauf wusste Paige keine Antwort. Hilfe suchend sah sie zu Marija, aber die blickte wie gebannt auf ihre Fußspitzen. Darf ich die Einladung
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