Entsorgt: Thriller (German Edition)
respektierten einander dafür, es lebend bis hierher geschafft zu haben. Und sie waren erbost über die Erfindungen der Medien.
»Seht euch diesen Scheißdreck an«, echauffierte sich Ray, als die vier gemeinsam in der ersten Reihe der vor dem Fernsehapparat aufgestellten Plastikstühle saßen.
In der Fernsehversion der Realität wurde der »Vorfall« als Ausbruch einer Seuche verkauft, der bereits Unmengen von Menschenleben gekostet hatte. Die durch die Straßen streifenden Monster fanden keinerlei Erwähnung. Die einzigen Bilder, die wieder und wieder gezeigt wurden, waren die von flüchtenden und sich verbarrikadierenden Menschen. Man hatte sie so geschnitten, dass eine Gruppe verzweifelter Überlebender den Eindruck erweckte, Jagd auf die anderen zu machen: Infizierte hetzten Gesunde. Es gab nur eine Lösung: Quarantäne. Deren Durchsetzung wurde von den Stadträten der umgebenden Gemeinden, die Angst vor einem Übergriff der Seuche auf ihre eigene Stadt hatten, vehement gefordert, und die Regierung willigte dankbar ein.
Kevin quittierte die Übertragung mit Kopfschütteln.
»Ob die damit wirklich durchkommen?«, fragte er.
»Dass die Zuschauer es ihnen abnehmen, kann man wohl als gesichert betrachten«, erwiderte Ray. »Warum auch nicht? Es ist ja niemand da, der ihnen etwas anderes erzählen könnte. Niemand, der gesehen hat, was wir gesehen haben.«
Jenny begann zu weinen, heiße, wütende Tränen.
»Selbst wenn, würde niemand zuhören.«
Ray wusste, warum sie so aufgebracht war. Schon über ihren Zeh hatten sie Lügen erzählen müssen, weil ihnen die Wahrheit niemand geglaubt hätte – und jetzt geschah das Gleiche auf landesweiter Ebene. Kevin legte seinen Arm um Jenny, um sie zu trösten, und zum ersten Mal seit ihrer Trennung machte es Ray nichts mehr aus. Er war glücklich für Jenny und glücklich für sich. Sie waren noch am Leben, das war alles, was zählte.
»Wir werden immer wissen, was hier geschehen ist«, sagte Delilah. »Wir sollten einander jetzt und hier versprechen, dass wir die Wahrheit am Leben halten. Regierungsverschwörungen haben die Angewohnheit, irgendwann wieder ans Licht zu kommen. Eines Tages bietet sich vielleicht die Gelegenheit, unser Wissen zu teilen.«
»Ich bin dabei«, sagte Ray.
»Ich auch«, sagte Kevin.
Jenny wischte sich die Tränen von den Wangen und nickte begeistert.
»Und ob. Versprochen.«
Auf ihre Art waren die Kampfhubschrauber erfolgreich. Jedes der Müllmonster, das sie unter Feuer nahmen, wurde auf der Stelle neutralisiert und verwandelte sich zurück in unbelebten Müll. Papier, Plastik und alle möglichen Formen verwesenden tierischen Gewebes übersäten die Straßen. Die Kampfhubschrauber hinterließen die Wohngebiete durchsiebt von Geschützfeuer und viele der Häuser halb zerstört von Raketeneinschlägen. Sie töteten die Müllkreaturen und töteten die Menschen, die sich vor diesen versteckten.
Es gelang ihnen allerdings nicht, die gesamte Streitmacht des Fäkalithen aufzuspüren und zur Strecke zu bringen. Und ganz gleich, wie viele von ihnen sie niedermachten, es kehrten mehr von ihnen zurück, um deren Platz einzunehmen. Sobald klar war, dass diese Taktik das Problem nicht lösen würde, begann die Armee mit der Bodenoffensive. Sie sammelten sämtliche Informationen, die sie kriegen konnten.
Schnell wurde klar, dass das Problem von der städtischen Deponie ausging. Dass die Gemeinde unter Quarantäne stand, erleichterte es der Armee, ein voll ausgerüstetes mobiles Hauptquartier unweit des Zentrums der »Krise« zu errichten. Der Müllkippe von Shreve. Dass niemand genau wusste, was die Kreaturen überhaupt hervorbrachte, wurde von denen da oben nicht als problematisch angesehen.
Währenddessen entwickelte der militärische Nachrichtendienst, unterstützt von Dutzenden seiner eigenen Wissenschaftler, Epidemiologen und Feldanalysten, seinen ureigenen, sorgfältig durchdachten Plan.
Ein Konvoi mattolivfarbener Tanklaster fuhr an der Mülldeponie vor und leerte seine flüssige Ladung in die Müllgruben. Infanteristen in Atemschutzanzügen säumten die Ränder des Zielbereichs. Scharfe Munition wurde nicht eingesetzt. Alles, was sich aus den Gruben wagte, wurde mit dem Bajonett aufgeschlitzt und zurückgeworfen. Tagelang fuhren die Tanker vor, bis der Schleier der Benzindämpfe über dem Gelände schillerte wie eine Fata Morgana.
Dann zog sich das gesamte Armeepersonal am Boden in sicheren Abstand zurück. Eine Meile entfernt
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