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Entsorgt: Thriller (German Edition)

Entsorgt: Thriller (German Edition)

Titel: Entsorgt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph D'Lacey
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als er die Zeitung durch den Briefschlitz schob. Sie hatte einen flüchtigen Blick auf Tamsin Doherty in ihrem weißen Morgenrock erhascht, deren Hände eine Kaffeetasse umklammerten. Auf der Türschwelle gab es einen Wortwechsel, den sie nicht hören konnte. Beide, der Junge und die Frau, verharrten bewegungslos, während sie sich unterhielten. Irgendwie ahnte Mavis, was geschehen würde, auch wenn sie etwas Derartiges kaum für möglich gehalten hätte. Aber offensichtlich verfügte sie über genug Fantasie, sich das Resultat dieses Tête-à-têtes auszumalen, denn wie hätte sie sonst diese Vorahnung haben können?
    Sie fragte sich immer wieder, was für Worte es wohl waren, die an diesem Morgen zwischen dem Jungen und der Frau fielen. Was, bei allen Heiligen, wurde dort gesprochen? Wie fing ein derart ungleiches Paar so etwas an? Mit der vagen Ahnung des anstehenden Sündenfalls erkannte Mavis auch, dass sie die Antworten auf ihre Fragen wohl niemals verstehen würde, selbst wenn sie ihr jemand gäbe. Diese Buhlschaft entsprang den tiefsten Abgründen einer kranken Fantasie, ersonnen von Seelen, in deren Schwärze sie niemals blicken wollte.
    Es fiel ihr schwer, Kevin Doherty nicht zu hassen, obwohl die Sünde der Frau zweifellos die objektiv größere war. Und der Junge machte einen klügeren Eindruck, als sein Alter es vermuten ließ. Er sollte es eigentlich besser wissen. Aber Jungs waren durch und durch schmuddelige Kreaturen, und ohne entsprechende Anleitung wuchsen sie unweigerlich zu liederlichen Kerlen heran, geborenen Unterdrückern, die nur Schlechtes im Sinn hatten.
    Irgendwie musste sie die Dinge wieder zurechtrücken. Welchen Wert hatte es, für den Herrn Wache zu halten, wenn man nicht auch bereit war, sich für ihn in die Bresche zu werfen? Hier ging es nicht um eine Bekehrung. Es ging darum, drei verlorene Seelen zu retten, die ansonsten dem Bösen anheimfallen würden. Sie standen an der Schwelle zur ewigen Verdammnis, und sie würde sie von dort zurückholen.
     
    Um sicherzugehen, unterzog Mason seine Theorie erst einmal einem Test.
    Der Handlung, die er gleich vollführen würde, haftete etwas geradezu Sakrales an. Er würde der Erste sein, an dessen Lebenskraft sich die Kreatur stärken würde. Er hatte keine Angst vor dem Messer oder davor, den Schnitt zu machen, aber sein Magen zuckte und flatterte, als er vor dem schwächer werdenden Neugeborenen niederkniete und die Klinge eines kleinen Taschenmessers auf die Vene in der Innenseite seines Ellbogens legte. Es musste wohl so etwas wie Erregung sein.
    Die Luft in der Hütte roch nach Exkrementen und Verwesung, aber er ignorierte den Gestank, als würde er einem Kind die Windeln wechseln: Er tat, was für jeden Pfleger oder Betreuer ganz normal war. Die Kreatur wusste, was Mason vorhatte, und aus ihrem herzergreifenden Wimmern wurde ein erwartungsvoll drängelndes Grunzen. Aufgeregt begann sie, sich in ihren Lumpen zu winden. Sich vornüberbeugend, damit das Blut von seinem Arm in die saubere Untertasse lief, ritzte er mit der Messerspitze seine Haut. Mit einem raschen, sicheren Schnitt öffnete er die Vene.
    Dunkles, warmes Blut rann aus dem akkuraten Schnitt und tropfte von seinem Ellbogen in das weiße Tellerchen. Er spannte seinen Bizeps an, um mehr aus der Wunde zu quetschen, bis die Untertasse beinahe überlief. Die Kreatur quengelte derweil hartnäckig weiter. Er legte das Messer beiseite und stellte die Untertasse auf den Boden neben die Lumpenkiste. Die Kreatur lehnte sich hinaus, und ein knitteriger Plastikstrohhalm erschien in seinem Styroporklappenmund. Der Strohhalm färbte sich dunkel, als das Wesen Masons Lebenssaft in sich hineinsaugte und anzuschwellen begann.
    Im Dunkel hinter seinem gläsernen Auge flackerte ein Licht auf.
     
    Das Studio sah eher wie ein Lagerhaus aus. Aggie war von der U-Bahn-Station Stepney Grey aus gerannt, als sie um sieben Uhr morgens dort ankam. Die meisten waren bereits da. Nicht unbedingt der beste Start. Ein bärbeißiger Oger von Assistentin hatte sie, Unverständliches auf Polnisch oder Tschechisch vor sich her brabbelnd, einen Korridor entlanggeschubst.
    Sie und sechs andere Mädchen – einige davon noch jünger als sie, da war sie sich ziemlich sicher – hatten sich auf das Shooting in einem, so nahm sie an, ehemaligen Kühlraum vorbereitet. Die »Tür« zwischen Garderobe und der großen leeren Halle, in der Fotografen und Set warteten, bestand immer noch aus dicken vertikalen

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