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ENTWEIHT

ENTWEIHT

Titel: ENTWEIHT Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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sich noch verstohlener als Zarakis! Während er eine neue Kerze entzündete und in das Fenster des Marmorschreines stellte, damit sie im Dunkel ihren trügerischen Glanz verbreitete, ging ihm der Befehl durch den Kopf, den Vavara ihm erst vor einer guten Stunde gegeben hatte – nämlich dass er heute Nacht besonders vorsichtig sein und seinen Pflichten nachgehen sollte wie noch niemals zuvor. Klarer hatte sie sich nicht ausgedrückt; aber sie hatte schlechte Laune gehabt und Zarakis war klug genug gewesen, keine Fragen zu stellen. Ihre Zunge war so scharf, dass sie einem damit regelrecht Geißelhiebe versetzte, und sollte das nicht genügen, standen ihr andere Mittel zur Verfügung, um dies zu bewerkstelligen!
    Doch besser, man hegte keine derartigen Gedanken, schließlich konnte man nie wissen, ob sie nicht ...
    Zarakis! , erscholl Vavaras Stimme in seinem Geist; wie ein Rasiermesser schnitt sie seinen Gedankengang ab! Ahhh! Er erschrak zu Tode, ihm wurde eiskalt und er fragte sich, ob sie ihn wohl belauscht hatte. Mentalismus war zwar nicht gerade ihre Stärke, aber wenn sie in der Nähe war und sich konzentrierte … noch dazu in einer so ruhigen Nacht!
    Zarakis, wo bist du? , rief sie zuckersüß nach ihm, doch in ihrer Stimme schwang wie ein Missklang im psychischen Äther unverkennbar Bitternis mit.
    Anscheinend war sie hier, um ihm nachzuspionieren und sicherzugehen, dass er seinen Pflichten wie befohlen nachging. Wie? Nach all den Jahren, die er ihr nun diente, setzte sie noch immer kein Vertrauen in ihn? Doch nein, nein – Letzteres hatte er gar nicht gedacht, so etwas durfte er noch nicht einmal denken. Er musste sich zusammenreißen und ihr Antwort geben.
    »Gebieterin, ich bin hier!«, sagte Zarakis laut und dennoch leise, mit angehaltenem Atem. Ihm war klar, dass sie ihn auf jeden Fall hören würde. »Ich bin im Park, am Marmorschrein. Deine Kerze brennt und es ist alles in Ordnung. Aber wo … wo bist du?«
    Ich erwarte dich, antwortete Vavara, am Portal zum Kleinen Palast. Beeil dich.
    »Selbstverständlich«, stammelte er. »Bin schon unterwegs. Aber, Gebieterin, was gibt es denn? Ich meine, als du vorhin hier warst, da schienst du – darf ich es wagen, etwas derartiges zu sagen – irgendwie verstimmt? Was bereitet dir solche Sorgen?«
    Für einen Moment herrschte Stille und Zarakis dachte schon, er sei zu weit gegangen. Doch dann antwortete sie zu seiner Erleichterung:
    Ja, ich war missgelaunt und sehr kurz angebunden mit dir, Zarakis – darum möchte ich dir nun ein kleines Zeichen meiner Wertschätzung überreichen. Oder sollten wir lieber sagen: einen besonderen Leckerbissen?
    Einen Leckerbissen? Seltsam! Wie merkwürdig! Und schwang in ihrer Geistesstimme … nicht noch etwas anderes mit? Oder lag es lediglich an der eigenartigen Stimmung in dieser unheimlichen Nacht?
    Mittlerweile befand Zarakis sich an dem düsteren Portal, doch wo war Vavara? »Wo bist du, Gebieterin?«, fragte er. »Ich kann dich nicht sehen.«
    Oh, du Trödler! , schalt sie ihn, allerdings ohne erkennbare Bosheit. Das Warten dauerte mir zu lange, also ging ich hinunter in die Brutkammer. Komm’ einfach nach. Hier gibt es etwas, das du unbedingt sehen musst.
    »Und mein Leckerbissen?« So, wie sie im Augenblick gelaunt war, glaubte er, sich diese Unverschämtheit herausnehmen zu können.
    Sie ist hier unten bei mir!, sagte Vavara. Woraufhin Zarakis sich noch mehr beeilte ...
    Der Weg hinab in die salpeterüberzogenen Kellergeschosse – und anschließend durch die ausgehöhlte Felssohle zu den alten Minenschächten – war trügerisch und voller Stolperfallen, doch Zarakis war er so vertraut wie seine Westentasche. Von dem Tag an, da seine Gebieterin den Palataki erstanden hatte, war es sein Los gewesen, auf dem Gelände, in dem verfallenen Bauwerk, dem Gewirr unterirdischer Gänge, Schächte und von der Natur geschaffener Höhlen seine Runde zu machen. Letztere hatte das Meer in den Fels gegraben, Jahrhunderte bevor die seismische Aktivität im Mittelmeerraum das Gestein gefaltet und aufgeworfen hatte, bis schließlich das Kap entstanden war, auf dem der Palataki stand, und in eben einer solchen Höhle befand sich Vavaras dunstgeschwängerte Brutkammer.
    Als Zarakis aus einem der Gänge in die Hauptkammer trat, nahm er tatsächlich an, dort auf seine Gebieterin zu treffen – und auch auf den »Leckerbissen«, den sie ihm mitgebracht hatte, wahrscheinlich eine der Nonnen aus dem Kloster, eine der jüngeren, wie er

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