ENTWEIHT
Geist zu vertiefen.
Darum betrachtete Jake, als er sich in dem Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite unter einen der Sonnenschirme setzte, demonstrativ nicht die hübschen Französinnen, und Korath hüllte sich, vorerst zumindest, in verdrossenes Schweigen ...
Die Tresorräume waren völlig anders, als Jake erwartet hatte. Wie ein russisches Puppenset, eine Puppe in der Puppe in der Puppe: eine »unüberwindliche« Tür nach der anderen und wieder eine und wieder eine, allerdings Türen, die von Leuten entwickelt worden waren, die nicht die geringste Ahnung vom Möbiuskontinuum hatten und nie herausbekommen würden, was hier geschehen war. Andererseits hatten sie natürlich mit Dieben gerechnet und von dem Moment an, in dem Jake sich im Sicherheitsbereich materialisierte und die Sensoren auslöste, schrillte die Alarmanlage. Daraufhin beeilte er sich und ging innerhalb von Sekunden durch oder vielmehr um die Türen »herum«.
Im innersten Tresorraum fand Jake schließlich, wonach er suchte: die Tageseinnahmen, nach der jeweiligen Währung verpackt, fein säuberlich in einem Metallregal gestapelt. Dies hier war keineswegs Fort Knox – nicht im Entferntesten – und es gab lediglich eine Handvoll kleiner Beutel, die man mitnehmen konnte. Allerdings war Jake ja kein Dieb und hatte es nicht auf eine Riesenbeute abgesehen. Mit ein paar tausend Francs wäre er mehr als zufrieden. Das würde reichen bis …
Bis zum nächsten Mal? , unterbrach Korath seinen Gedankengang und fuhr rasch fort, um zu erklären: Denn wer weiß? An solche Unternehmungen könnte man sich durchaus gewöhnen?
»Das würde dir so passen, was?«, sagte Jake durch das Taschentuch, das er sich umgebunden hatte, um sein Gesicht vor den Überwachungskameras zu verbergen, während er nach einem Beutel griff mit der Aufschrift: FÜNFZIGTAUSEND FRANCS IN HUNDERTERN. »Dass deine ›Instinkte‹ auf mich abfärben. Hast du dir das so vorgestellt?« Er legte den Beutel zurück und nahm einen anderen, auf dem stand: ZEHNTAUSEND FRANCS IN FÜNF-FRANCS-SCHEINEN.
Äh, ja, schon, sagte Korath. Aber weshalb nimmst du jetzt den geringeren Betrag?
»Wenn beziehungsweise falls all dies hier eines Tages in Ordnung gebracht wird, werde ich das Geld vielleicht zurückgeben … vielleicht auch nicht. Weil ich das nämlich gar nicht muss. Dies hier ist meine Bank, Korath! Nein, nicht diese Zweigstelle hier, aber sie gehört zu meiner Bank. Und zufällig habe ich eine ganze Menge mehr auf dem Konto, als ich jetzt mitnehmen möchte. Im Grunde hebe ich bloß ein bisschen ab.«
Bah! , meinte Korath enttäuscht.
»Das war’s«, erklärte Jake, während er den Beutel aufriss und sich die Taschen vollstopfte. »Ich habe, was ich wollte, jetzt können wir gehen.«
Doch Korath schwieg, nur die Alarmsirenen schrillten weiter ...
»Korath?«, sagte Jake, der das verdrossene Schweigen in seinem Kopf bemerkte. Allmählich brach ihm in der drangvollen, luftleeren Enge der Schweiß aus. »Wir sollten machen, dass wir hier rauskommen.«
Gesetzt den Fall, antwortete Korath nach einer Weile, ich würde Harry Keoghs bemerkenswerte Formel vergessen und dich hierlassen, damit sie dich finden. Was würde dann eigentlich mit dir passieren? Denn Tatsache ist doch, Jake, es ist keine Kleinigkeit, ständig diese Ziffern und Symbole heraufzubeschwören. In meiner Welt hatten wir wenig Verwendung für Zahlen – die Mathematik war im wahrsten Sinne des Wortes unbekannt. Ein Lord oder eine Lady der Wamphyri führte allerhöchstens eine Strichliste, um zu sehen, über wie viele Knechte er beziehungsweise sie verfügte, und das war es auch schon. Aber was Dezimalzahlen, Bruchrechnen und Algebra betrifft … ich meine: Algebra? Der reinste Quatsch für einen Wamphyri! Und die Szgany waren auch nicht viel klüger.
»Das ist nicht lustig«, sagte Jake. Der Schweiß lief ihm in Strömen übers Gesicht. »Du hast mich hier hereingebracht und du kannst mich auch wieder rausbringen. Also mach’ schon. Lass diese Zahlen abrollen und ich erledige den Rest.«
Ach, und was habe ich davon? Ich soll die ganze Arbeit machen, während du die Vorteile daraus ziehst? Vielleicht war unsere Abmachung – diese sogenannte »Partnerschaft« – letztendlich ja doch keine so gute Idee. Ich habe den Eindruck, dass ich nur ausgenutzt werde, und von diesen ganzen, sich ständig wandelnden Gleichungen wird mir nur schwindlig. Darum denke ich, wir sollten … neu verhandeln?
»Ich kann dir nicht ganz
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