ENTWEIHT
unbeträchtliche Geduld ist zur Gänze aufgebraucht. Und alles nur wegen dir, Malinari, das verquere, verräterische Hirn! Jetzt bekommst du die Rechnung präsentiert. Ich hoffe, du bist darauf vorbereitet.« Sie fuhr sich mit der Zunge über die ledrigen Lippen, ihre gewaltigen Kiefer begannen zu mahlen und sie kam weiter auf ihn zu.
»Dann sollte ich«, sagte Malinari, »dich, glaube ich, darauf hinweisen, dass du für eine Frau zwar Beachtliches leistest, dass ich allerdings ein Mann bin mit all den Vorteilen der überlegenen Körperkraft eines Lords der Wamphyri. Ganz gleich wie wütend du jetzt sein magst – so ungerechtfertigt dein Zorn auch ist – Wut allein wird dich nicht am Leben erhalten.«
»Aber das hier schon!« Damit zog sie eine Pistole aus ihren zerfetzten Kleidern. Doch noch während sie dies tat, schnappte Malinari sich einen Benzinkanister und warf ihn nach ihr. Vavara wurde zurückgeschleudert, die Waffe entglitt ihrer Klauenhand, der Kanister prallte von ihr ab und versank im Wasser. Dann gingen sie einander an die Kehle, während das Kaiki aufs Meer hinaustuckerte.
Die Sache endete schließlich in einem Patt. Im Kiel des Bootes umklammerte seine Hand mit äußerster Kraft ihre Luftröhre, während Vavaras Linke auf seinem Gesicht lag, die langen, spitzen Finger in seine Augenhöhlen gekrallt.
»Ich könnte dir jetzt die Gurgel rausreißen«, sagte er.
Sie brachte zwar kein Wort heraus, dennoch erwiderte sie: Dann würde ich dich im selben Augenblick blenden!
Sie ließen voneinander ab. Keuchend lagen sie da, einander hasserfüllt anfunkelnd. »Sind wir jetzt fertig damit?«, wollte er wissen. »Wenn schon nicht für alle Zeiten, dann wenigstens für den Moment?«
»Waffenstillstand«, erwiderte sie, sich den Hals reibend. »Vorerst zumindest.«
Malinari nahm wieder das Ruder. »Ich bin sicher, du hast bereits einen Plan. Also, wohin fahren wir?«
»Mein ursprünglicher Plan ist jetzt hinfällig«, krächzte sie, indem sie am Bug Platz nahm. »Denn schon wieder dank dir ist ein Drittel unseres Treibstoffs im Meer versunken. Eigentlich hatte ich vor, über die Dardanellen Istanbul zu erreichen, aber das kommt jetzt ja nicht mehr infrage. Darum muss ich nun auf Plan B zurückgreifen.«
»Und der wäre?«
»Er ist weder angenehm noch einfach und wird uns ein gewisses Maß an Leiden abverlangen.«
»Lass hören!«
»Nein«, entgegnete sie. »Ich sehe nämlich ein, dass du recht hast. Du bist der Stärkere und Verschlagenere von uns beiden. Wenn ich dir erzähle, was ich vorhabe, welchen Nutzen hätte ich dann noch für dich?«
»Wie du willst!« Malinari zuckte die Achseln. »Also, wohin soll ich das Boot steuern?«
»Mach Platz und lass mich ans Ruder«, erwiderte sie. »Ich werde steuern, schließlich weiß ich, wohin wir fahren. Und unterwegs wird mein Vampir dafür sorgen, dass ich wieder zu Kräften komme.«
»So sei es«, knurrte Malinari.
»Falls du vorhast zu schlafen«, sagte sie, während sie die Plätze tauschten, »hülle dich ordentlich in Decken.«
»Schlafen? Ich denke nicht«, entgegnete er. Und indem er eine Augenbraue hob: »Soll das heißen, du findest die Nächte hier kalt?«
»Nein«, lächelte Vavara grimmig. »Aber wenn die Sonne aufgeht, wird es heiß und tödlich sein. Dann werden wir mitten auf dem Meer treiben, überdies wahrscheinlich noch in einer Flaute.«
»Ach, wirklich?«, sagte Malinari. »Das nennst du also bloß ein gewisses Maß an Leiden!«
»Vielleicht etwas mehr als ein gewisses Maß.« Sie zuckte die Achseln. »Aber alles Teil meines Planes.«
»Dann wollen wir hoffen, dass dein Plan gut ist ...«
Im Wagen, auf dem Weg zu den »Christos Appartements«, erzählte Jake Liz und Ian Goodly, was ihm bisher widerfahren war – zumindest die Grundzüge seiner Geschichte – und der Hellseher wiederum berichtete, was Millie in London zugestoßen war, nämlich dass Lord Szwart sie in seine Gewalt gebracht hatte. Im zweiten Wagen saß Ben Trask ganz allein – mit David Chung, Manolis und Lardis, und doch allein, allein mit seinen Gedanken – einerseits überwältigt von der Tatsache, dass Liz überlebt hatte, andererseits … war ihm klar, dass es lange dauern würde, bis er über Millie Cleary … über was auch immer ihr zugestoßen sein mochte, hinwegkommen würde.
Als die drei Wagen wieder in der Basis anlangten und die müden Krieger parkten, ausstiegen und noch ein Weilchen zusammenstanden, weil sie sich viel zu erzählen hatten und
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