Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
allerdings länger stehen. Es zeigte einen anmutigen und kämpferischen David. Einen vollkommenen David.
„Er hat auch einige Makel.“
Die Stimme erklang völlig unerwartet hinter mir. Zu nah hinter mir. Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass der leibhaftige David direkt hinter mir stand. Da ich nicht reagierte, stellte er sich schließlich neben mich und betrachtete gleichmütig die Skulptur.
Ich wagte kaum zu atmen. Was machte er hier? War er mir gefolgt? Wie hatte er mich finden können? Das Museum war groß genug, um sich aus dem Weg zu gehen. Ich traute mich nicht, ihn anzusehen.
„Welche?“, hörte ich mich schließlich selbst fragen, weil mir die Stille zwischen uns zu unangenehm wurde.
Er hielt seinen Blick ebenfalls auf sein ehernes Ebenbild gerichtet und antwortete erst nach einem Augenblick. „Er hielt sich für unantastbar. In seiner Überheblichkeit begehrte er Dinge, die nicht für ihn bestimmt waren.“ Davids Stimme klang seltsam bedrückt. So, dass ich ihn schließlich doch ansah.
„Sprichst du vom biblischen David?“
Langsam wandte er mir sein Gesicht zu. Seine wachen, hellblauen Augen musterten mich aufmerksam aber gleichzeitig zurückhaltend. „Wohl eher vom weltlichen.“
Verwirrt runzelte ich die Stirn. „Ich kenne nur den, der angeblich Goliath mit einer Steinschleuder überwältigt haben soll.“
Davids Gesichtszüge verzogen sich zu einem feinen Lächeln. „Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille“, gab er geheimnisvoll von sich, was mich noch mehr verwirrte. Ich musste ihn entsprechend angesehen haben, denn sein Lächeln wurde noch breiter, was ihn nicht gerade unattraktiver wirken ließ, auch wenn ich bemerkte, dass das Lächeln seine Augen nicht erreichte.
Er wandte sich mir mit seinem ganzen Körper zu, so dass wir uns schließlich frontal gegenüber standen. „Es ist wie bei van Gogh. Über den geschichtlichen David ranken sich einige Mythen. Die einen stellen ihn als kampfesmutigen Helden hin, die anderen berichten vom Zorn und unrühmlichen Begehren des Königs. Es ist wohl wie immer an beiden Geschichten etwas dran.“ Er sah mir völlig ruhig aber sehr direkt in die Augen. Ohne zu zwinkern. Sein Blick bannte mich irgendwie und ich fragte mich unwillkürlich, wie viel seines Namensgebers wohl in ihm selbst steckte.
Ich bemerkte wie seine Augen ganz kurz belustigt aufblitzten und ich spürte wieder diesen Druck in meinem Kopf. Ich trat unwillkürlich einen Schritt zurück und wandte meinen Blick von ihm ab.
„Wieso weichst du mir aus?“ Davids Stimme klang leichtfertig, doch ich meinte, einen schar fen Unterton darin zu erkennen.
„Wieso bist du mir gefolgt?“, stellte ich ihm eine Gegenfrage.
David zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. „Deine Schwester hat bemerkt, dass wir dich verloren hatten und ich bot an, dich zu suchen. Sie warten im Museumscafé auf uns.“
Ich zögerte. Ich wollte nicht zurück zu den anderen. Aber noch weniger wollte ich mit David hier alleine herumstehen. Langsam wurde er mir unheimlich. „Gut, dann gehen wir“, entschied ich, drehte mich um und ging los, ohne auf ihn zu warten. Was auch nicht nötig war, denn ich spürte seine Anwesenheit nur allzu deutlich hinter mir. Er folgte mir in angemessenem Abstand, doch ich hatte das Gefühl, dass mir sein Blick ein Loch in meinen Rücken brannte.
Zum Glück fand ich das Café auf Anhieb und ich atmete erleichtert aus, als die anderen uns bemerkten und uns frenetisch zuwinkten. Mir war klar, dass diese Aufmerksamkeit mehr meinem Begleiter galt als mir. Meine Anwesenheit war ihnen bestimmt nicht wichtig.
Das bestätigte sich auch sofort, als ich mich zu meiner Schwester setzte. Sie warf David einen bewundernden Blick zu. „Du hast sie also tatsächlich gefunden! Du musst so was wie einen siebten Sinn haben. Du stellst als Erster fest, dass sie weg ist und findest sie auf Anhieb wieder.“
Ich stutzte angesichts ihrer Aussage und sah David skeptisch an. Er reagierte nicht. Weder auf Mariannes Aussage, noch auf meinen Blick. Er zog sich einen Stuhl vom Nebentisch heran und setzte sich damit genau mir gegenüber. Was für ein seltsamer Typ.
Als die Bedienung kam bestellten sich alle Kaffee und Kuchen, nur ich nahm nur einen Kaffee.
„Wieso nimmst du keinen Kuchen?“, fragte mich meine Schwester unverständlich.
„Weil ich keinen Hunger habe“, gab ich muffiger als beabsichtigt zurück. Sie sah mich ärgerlich an, beschloss dann aber nichts zu
Weitere Kostenlose Bücher