Entzweit : Vereint (ambi : polar) (German Edition)
erfreuen sollte. Da sie nichts antwortete lief ich zurück in ihr Zimmer. Sie stand mit gerunzelter Stirn vor ihrem weit geöffneten Kleiderschrank und hielt in jeder Hand einen Rock hoch. Anscheinend war dieses Problem drängender als unsere Wohnungssituation.
Ich lehnte mich an den Türrahmen und betrachtete sie amüsiert. „Hast DU etwa einen netten Kerl kennengelernt oder wofür die Mühe?“ Ich zeigte mit einer Armbewegung auf das Chaos, das sie in ihrem Zimmer angerichtet hatte. Überall lagen Klamotten herum. Es sah ganz danach aus, als könnte sie sich nicht entscheiden, was sie anziehen sollte. Ein Problem, das ich dank meines sehr überschaubaren Klamottenbesitzes noch nie gehabt hatte.
Sie warf mir einen frustrierten Blick zu. „Kennengelernt habe ich ihn schon lange, nur will es bei ihm noch nicht so richtig zünden. Deswegen brauche ich heute Abend etwas Besonderes. Etwas, was die anderen Mädels aussticht.“ Sie sah kämpferisch in ihren Kleiderschrank, als würde der ihr absichtlich etwas vorenthalten.
„Ist es einer aus deiner Clique?“, fragte ich neugierig. Marianne warf mir einen skeptischen Blick zu, so als würde sie überlegen, ob sie mir antworten s ollte. Schließlich schwieg sie.
Wir hatten uns noch nie über Jungs unterhalten. Als sie begann, sich für das andere Geschlecht zu interessieren, war ich noch zu jung, um ihre Schwärmereien für den ein oder anderen Jungen an der Schule nachvollziehen zu können, und als ich in das Alter kam, war sie längst ausgezogen und führte ihr Leben fern von mir.
„Sag bitte nicht, dass es Martin ist“, flehte ich sie gespielt verzweifelt an. „Er mag ja ein ganz netter Kerl sein, aber von Kunst hat er nicht halb so viel Ahnung, wie er vorgibt.“ Ich wollte sie damit eigentlich nur ein wenig foppen und hatte keine ernste Reaktion erwartet, doch sie winkte tatsächlich bestürzt ab.
„Doch nicht Martin. Nie im Leben würde ich auf einen Typen wie ihn stehen. Nein, es ist … David“, gab sie schließlich zögerlich zu, wobei sie mir einen unsicheren Blick zuwarf.
Mein Grinsen verschwand augenblicklich. Das hätte ich mir eigentlich denken können. So wie sie ihn anhimmelte, so wie ihn alle Frauen anhimmelten, war klar, dass alle es auf ihn abgesehen hatten. „Wirklich?“ Mein Tonfall klang definitiv alles anders als begeistert.
Sie sah mich an, als wäre ich nicht ganz richtig im Kopf. „Welche Frau steht nicht auf ihn? Er ist absolut hinreißend.“
Ich konnte ihr da nicht gerade zustimmen. Ich bekam unangenehme, beklemmende Gefühle, wenn ich an David auch nur dachte und das eine Mal, als er mir alleine so dicht gegenübergestanden hatte, hatte ich das untrügliche Gefühl verspürt, mich dringend von ihm fernhalten zu müssen. Er strahlte etwas Unheimliches aus. Etwas, das ich noch nicht greifen konnte, mir aber innerlich zuflüsterte, ich sollte Abstand zu ihm halten. Doch ich versuchte, mir gegenüber Marianne nichts anmerken zu lassen. Vielleicht ergab diese Offenbarung die Möglichkeit, meine Schwester über ihn ein wenig auszufragen, um mehr über ihn zu erfahren.
Ich schlenderte langsam zu ihrem Bett und setzte mich vorsichtig auf das letzte freie Stückchen, das noch nicht von Kleidern belagert war. „Was macht er denn beruflich?“, fragte ich möglichst arglos.
Meine Schwester hatte sich wieder ihrem Kleiderschrank zugewandt und durchwühlte ihre Regale auf der Suche nach einem „besonderen“ Oberteil. „Hmm, das weiß ich gar nicht so genau. Irgendein Familienbetrieb. Er spricht nicht gerne darüber. Aber er ist reich.“
„Aha. Und darüber spricht er ?“
Marianne warf mir angesichts meines nicht zu verbergenden abfälligen Tonfalls einen finsteren Blick zu. „Nein. Das ist leicht zu erkennen. Er ist stets exklusiv gekleidet, fährt einen teuren BMW, ein 6er Cabrio“, dabei riss sie begeistert die Augen auf, als wäre das ein Grund zum Jubilieren. Ich wusste nicht mal wie ein 6er BMW aussah, aber Marianne schien auch nicht auf eine Reaktion von mir zu warten, denn sie drehte sich wieder zu ihrem Schrank um und fuhr enthusiastisch fort während sie ihren Schrank durchforstete. „Er spendiert uns immer Champagner und er hat eine sehr kultivierte Ausdrucksweise.“
Ich runzelte im Rücken meiner Schwester argwöhnisch die Stirn. „Das macht ihn nicht unbedingt reich. Das kann auch alles nur Show sein“, gab ich zu bedenken.
Marianne schnaubte empört auf. „Wieso sollte das nur Show sein? Das hat er
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