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Enwor 1 - Der wandernde Wald

Enwor 1 - Der wandernde Wald

Titel: Enwor 1 - Der wandernde Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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den eigentlichen Scheiterhaufen zu werfen. Die Flammen hatten bereits auf die Vogelkörper übergegriffen. Die dünnen, ledrigen Flügel verschmorten unter der ungeheuren Hitze zu einem Netzwerk aus häßlichen, ölig schimmernden Fäden und tropften brennend zu Boden. Fettiger schwarzer Qualm stieg auf und verteilte sich über der Lichtung. Für einen Moment schienen sich die dunklen Körper hinter dem Flammenvorhang zu bewegen, fast, als lehnten sich die Bestien selbst im Tode noch gegen ihr Schicksal auf, und mit einem Mal erschien Skar das, was Coar über die Hoger erzählt hatte, gar nicht mehr so lächerlich. Aber es mußte eine Täuschung sein. Die auf- und niederwogenden Flammen und die Hitze gaukelten ihm die Illusion von Bewegung vor.
    Er blinzelte noch einen Moment in die tobenden Flammen und sah dann weg.
    Sein Gesicht brannte, und die Hitze des Scheiterhaufens schlug mit solcher Macht gegen seine nackte Haut, daß er fast glaubte, nur wenige Handbreit von der Flammenwand entfernt zu sein statt eines Dutzends Schritte.
    Coar wandte sich um. »Gehen wir.«
    Skar verstand die Worte über dem Brüllen der Flammen kaum, aber ihr Blick und die begleitende Geste sagten ihm genug. Coars Gesicht war vom flackernden Feuerschein in grellrotes Licht getaucht. Es sah aus, als wäre es mit Blut übergossen.
    Sie gingen zum Waldrand zurück. Trotz des Tosens der Flammen breitete sich eine seltsame, bedrückende Stille über dem Platz aus. Keine der Kriegerfinnen sprach auch nur ein Wort, und selbst ihre Bewegungen waren von dem Bestreben diktiert, so wenige Geräusche wie nur möglich zu verursachen, als fürchteten sie, die Geister der toten Hoger zu wecken. Die beklemmende Stimmung hob sich erst, als sie die Lichtung verlassen hatten und der Feuerschein nur noch gedämpft durch das dichte Blattwerk des Waldes zu ihnen drang. Die Kriegerin neben Skar atmete hörbar auf. Aber es war ein anderes Aufatmen als das, das man nach der Erledigung einer schweren Arbeit tat. Eher ein fast schmerzhaftes Seufzen, ein Laut, als löse sich eine erdrückende Angst, die würgende Faust tiefsitzender Panik. Coar sagte ein paar Worte in ihrer Muttersprache. Die Gruppe begann sich rasch aufzulösen. Zwei Kriegerfinnen begannen die Pferde zu satteln und verstreut herumliegende Ausrüstungsgegenstände aufzusammeln, die anderen eilten zu den Leichen der beiden Erschlagenen hinüber und begannen dicht neben ihnen zu graben.
    Skar wandte sich kopfschüttelnd ab. Nach den unübersehbaren Anzeichen von Angst verwirrte ihn das Verhalten der Frauen mehr und mehr. Zuerst eine zeitraubende, zeremonielle Verbrennung, und nun ein Begräbnis. Er schüttelte in stummem Zweifel den Kopf.
    Eine Hand berührte ihn zaghaft an der Schulter. Es war Larynn. Sie wirkte erschöpft und müde. Ihre Haut schimmerte wächsern im Widerschein der immer höher aufflackernden Flammen, und die zierlichen, kühlen Finger auf seiner Schulter zitterten spürbar. »Laß mich deine Wunden sehen«, verlangte sie.
    Skar hatte den Eindruck, daß das Mädchen eher die Dienste eines Heilers brauchte als er, aber er ließ sie trotzdem gewähren. Ihre Finger fuhren geschickt und sachkundig über seinen Arm, prüften die Verletzung auf Art und Gefährlichkeit und zogen sich zurück, ehe die Berührung die Grenze zum Schmerz überschreiten konnte.
    »Es ist nichts Ernstes«, sagte sie leise. »Aber der Riß an deiner Seite sieht nicht gut aus. Schmerzt es sehr?«
    Skar machte eine wegwerfende Handbewegung. Der beißende Schmerz dicht unter seinen Rippen war immer noch da, aber die Wunde blutete nicht mehr, und nach allem, was er in den letzten Augenblicken erlebt hatte, hatte er sie schon fast vergessen. Außerdem hatte er gelernt, zwischen verschiedenen Arten des Schmerzes zu unterscheiden — Schmerz, der einfach nur wehtat, und solcher Schmerz, der Signal für eine echte Gefahr war. Dieser Schmerz gehörte zur ersten Art.
    Larynn gab ein ärgerliches Geräusch von sich und schob seine Hand beiseite, als er nach der Wunde greifen wollte. »Ich trage dir eine Salbe auf, die kühlt und den Schmerz lindert. Mehr kann ich im Augenblick nicht tun.«
    »Das ist nicht nötig. Der Kratzer heilt auch so.«
    »Hat dein Freund Del das auch gedacht?«
    Skar zuckte resignierend die Achseln, hob den Arm in Schulterhöhe und wartete mit zusammengebissenen Zähnen, bis Larynn die Wunde gesäubert und mit einer zähen, breiartigen Paste bestrichen hatte. Ihre Worte waren keineswegs übertrieben

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