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Enwor 1 - Der wandernde Wald

Enwor 1 - Der wandernde Wald

Titel: Enwor 1 - Der wandernde Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gewesen. Die Salbe prickelte und brannte für einen flüchtigen Moment, dann machte sich ein kühles, nicht unangenehmes Gefühl der Taubheit in seiner linken Körperhälfte breit. Der Schmerz ließ beinahe augenblicklich nach und verschwand nach wenigen Sekunden vollkommen.
    »Das ist alles, was ich im Moment für dich tun kann«, sagte Larynn noch einmal. »Die Heilerin in Went wird sich um den Rest kümmern müssen.«
    »Went ist eure Stadt?«
    Larynn lächelte, als habe er etwas unglaublich Dummes gefragt.
    »Ist es noch weit?«
    »Nicht sehr. Eine Stunde, wenn wir schnell reiten würden. Mit euch anderthalb. Aber wir werden vor Sonnenaufgang dort sein.«
    »Eine Stunde?« echote Skar verwundert. »Wie konntet ihr so rasch hier sein, wenn Went eine Stunde weit weg ist?«
    »Wir wurden gerufen«, antwortete Larynn. »Der Wald verbreitet Botschaften schnell. Und wir wußten, daß Eile geboten war.«
    Skar lächelte spöttisch. »Hattet ihr Angst, wir würden euch davonlaufen?«
    Statt einer direkten Antwort machte Larynn eine Kopfbewegung auf die Lichtung hinaus, wo der Scheiterhaufen immer höher aufloderte. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe Skar begriff, was das Mädchen mit seiner Geste meinte.
    »Du meinst«, sagte er verblüfft, »ihr… seid gekommen, um uns vor diesen Biestern zu schützen?«
    »Ja.«
    »Aber… wir… wir sind Fremde«, stotterte Skar verwundert. »Eindringlinge, die eure Grenzen und vielleicht eure Gesetze verletzt haben!«
    »Aber ihr seid Menschen, oder?« Larynn lachte leise und setzte eine Miene auf, als müsse sie einem verstockten Kind erklären, warum zwei und zwei vier und nicht sieben sind. »Ihr seid fremd, und ihr wußtet nichts von den Gefahren, die hier auf euch lauern. Der Wald scheint friedlich, aber er ist es nicht. Wir mußten euch warnen. Außerdem«, fügte sie mit einem verzeihenden Lächeln hinzu, »hast du natürlich recht. Die Nahrak teilten uns mit, daß Fremdlinge aus der Wüste gekommen waren. Wir mußten wissen, wer ihr seid und was ihr wollt.«
    Skar verstand mit jedem Wort weniger. Bis vor wenigen Augenblicken hatte er sich noch eingebildet, ein wenig von diesem Volk und seiner Art, zu denken und zu leben, begriffen zu haben, aber das Gegenteil schien der Fall. Der Gedanke, daß diese Menschen sich bewußt der tödlichen Gefahr einer Begegnung mit den schwarzen Ungeheuern ausgesetzt hatten, erschien ihm unglaublich. Und er sprach seine Verwunderung auch aus.
    Larynn sah ihn mit einer seltsamen Mischung aus Unglauben und Erstaunen an. »Aber ihr seid Menschen«, sagte sie verwirrt. »Wir wissen nicht, wer ihr seid. Vielleicht nur zwei harmlose Wanderer, die sich in der Wüste verirrt haben, vielleicht auch Feinde. Aber kein Mensch kann so schlecht sein, daß er den Tod durch einen Hoger verdient hätte.«
    »Vor wenigen Augenblicken wolltet ihr uns noch töten«, widersprach Skar. Larynn nickte. »Das stimmt«, sagte sie. »Wir töten. Aber die Hoger…« Sie brach ab, suchte einen Moment lang sichtlich nach Worten und wandte sich dann mit einer schnellen Drehung ab. Skar hatte den Eindruck, daß sie bereits mehr gesagt hatte, als ihr lieb war.
    »Dein Freund ist wach«, murmelte sie, abrupt das Thema wechselnd. »Wenn du mit ihm reden willst…«
    Skar nickte. Del lag mit halb geöffneten Augen auf der provisorischen Bahre, die Larynn gebaut hatte — einem Tragegestell aus zwei geraden, kräftigen Ästen, zwischen denen ein Netzwerk aus dünnen Pflanzenfasern gespannt war. Die Konstruktion wirkte alles andere als stabil, aber Skar erinnerte sich noch lebhaft an die Festigkeit der dünnen Lianen. Die brennenden Linien auf seinen Handgelenken erinnerten ihn mit jeder Sekunde daran.
    Del versuchte zu lächeln, als er Skar erkannte, aber der Schmerz und die Erschöpfung ließen eine beinahe furchteinflößende Grimasse daraus werden. Skar kniete neben ihm nieder, legte die Hand auf seine unverletzte Schulter und rang sich zu einem aufmunternden Lächeln durch. Dels Haut fühlte sich heiß und fiebrig an, trocken und rissig wie altes Pergament. Krank. Sein Körper bebte unter den Hieben eines Schüttelfrostes, und Skar konnte die schnellen, arhythmischen Pulsschläge bis in die Schulter hinauf fühlen. Plötzlich verstand er Larynns Besorgnis. Die scheinbar unerschöpfliche Energie, die Del seit ihrem Aufenthalt am See an den Tag gelegt hatte, war nichts als ein kurzes, trotziges Aufbäumen gewesen, dem nun der endgültige Zusammenbruch folgte.
    Del bewegte

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