Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enwor 1 - Der wandernde Wald

Enwor 1 - Der wandernde Wald

Titel: Enwor 1 - Der wandernde Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Boden zu starren, die all die kleinen Mängel, mit denen die Natur sie ausgestattet hatte, mehr als nur ausglich.
    Er sah, wie Coar sich unter seinem forschenden Blick zunehmend unbehaglicher zu fühlen begann, und sah — nun seinerseits verlegen — weg. Plötzlich kam ihm ihrer beider Verhalten albern, ja beinahe kindisch vor. Ihre Rollen waren genau verteilt —sie die selbstbewußte, starke Führerin einer schlagkräftigen Reitertruppe, er und Del nichts als zwei hilflose Gefangene, die einem mehr als ungewissen Schicksal entgegenblickten, Eindringlinge, die, wenn überhaupt, dann höchstens Gnade und ein wohlwollendes Anhören ihrer Geschichte erwarten durften. Und doch unterhielten sie sich jetzt wie zwei Gleichgestellte; Fremde, die voneinander nichts als ihre Namen wußten und sich behutsam an den anderen heranzutasten versuchten. Irgend etwas war mit Coar geschehen, aber Skar konnte sich nicht erklären, was es war. Der Wechsel in ihrem Verhalten konnte nicht allein in seinem Eingreifen in den Kampf gegen die Hoger begründet sein. Schließlich hatte sein Leben genauso auf dem Spiel gestanden wie das der Gardisten. Aber nicht nur mit Coar, das erkannte er plötzlich, war eine Veränderung vor sich gegangen. Auch in ihm schien sich in der kurzen Zeit etwas gewandelt zu haben. Und je intensiver er sich bemühte, gegen diese plötzliche Unordnung in seiner Gefühlswelt anzukämpfen, desto stärker schien sie zu werden. Coars Nähe bewirkte etwas in ihm, das ihn erschreckte. Ein vollkommen neues Gefühl der Unsicherheit.
    Er räusperte sich verlegen, erhob sich auf ein Knie und griff dankbar nach Coars Hand. Sie wich seinem Blick aus, aber er ging nicht weiter darauf ein. Wie so viele Fragen, die in den letzten Stunden auf ihn eingestürmt waren, würde er auch sie später klären müssen. Aber er nahm sich fest vor, es wirklich zu tun. Er konnte es sich nicht leisten, sich nicht über seine Gefühle im klaren zu sein.
    Auf der Lichtung hatte sich eine rege Betriebsamkeit erhoben. Die Soldaten hatten ihre Pferde am Waldrand angebunden. Zwei der kleinen, in schimmerndes Gold gehüllten Gestalten lagen reglos ausgestreckt neben den Tieren im Gras. Die anderen waren eifrig damit beschäftigt, die monströsen Vogelkadaver in die Mitte der Lichtung zu schleifen und auf einen Haufen zu schichten.
    »Warum tun sie das?« fragte Skar.
    Coar zögerte. Ihre Gestalt straffte sich, und auf ihren Zügen erschien für Sekunden ein Ausdruck, der irgendwo zwischen Angst und Ekel lag; fast als hätte Skar eine obszöne und schmutzige Frage gestellt. Dann hatte sie sich wieder in der Gewalt.
    »Damit sie nicht wiederkommen«, antwortete sie. »Wir… verbrennen sie.« »Wiederkommen?« fragte Skar verwundert. »Ich verstehe nicht, was du meinst.« Coar lächelte traurig und suchte für ein paar Augenblicke sichtlich nach Worten. »Sie sind… Khtaäm«, stieß sie schließlich hervor. »Ich weiß das Wort in deiner Sprache nicht. Rückgänger? Nein… Wiedergänger.«
    Skar nickte verblüfft. »Du meinst… diese Bestien sind nicht… nicht tot?« fragte er stockend.
    Coar biß sich auf die Lippen. »Erschlagene Hoger werden zu Khtaäm«, wiederholte sie. »Zu Nachtmahren. Sie sterben nicht. Nicht so wie wir, wie du und ich. Ein Mensch, der von ihnen gerissen wird, erwacht, aber ein Hoger, der im Kampf getötet wird, wird zum Nachtmahr, wenn man seinen Körper nicht vollkommen vernichtet. Deshalb müssen wir sie verbrennen.«
    Aber Skar ließ nicht locker. Der Gedanke, daß ein einmal getötetes Lebewesen —gleich welcher Art — Wiederaufstehen und zu neuem Leben erwachen sollte, erschreckte ihn zutiefst. Natürlich gab es Legenden und Mythen über Wiedergänger und lebende Tote bei fast jedem Volk, das er kannte, aber irgendwie paßte ein solcher Aberglaube nicht zu dem Bild, das er sich bisher von Coar und ihrem Volk gemacht hatte.
    »Du meinst, ihre Seelen geistern herum und verbreiten Angst und Schrecken?« fragte er unsicher.
    »Nicht ihre Seelen. Gibt es dort, wo ihr herkommt, keine Hoger?«
    Für einen winzigen Augenblick dachte Skar an die gigantischen schwarzen Daktylen, auf denen die Bewohner der Nordlande ritten. Aber diese gezähmten Flugsaurier hatten kaum eine Ähnlichkeit mit den geflügelten Todesboten, gegen die er gekämpft hatte. Er schüttelte den Kopf. »Nein. Weder Hoger noch Nachtmahre oder sonstige Alpträume.
    Erzähl mir davon. Wie sehen sie aus, diese Nachtmahre?« Er wußte nicht, ob Coar das

Weitere Kostenlose Bücher