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Enwor 11 - Das elfte Buch

Enwor 11 - Das elfte Buch

Titel: Enwor 11 - Das elfte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sondern von ihm selbst auszugehen; aber ganz sicher war er sich nicht. In jedem Fall war es ein abstoßender Anblick und er brauchte nicht seine Phantasie zu strapazieren, um zu ahnen, dass das hier mehr war als nur ein zufälliges Naturphänomen. Dann, ganz plötzlich, wusste er, was hinter dem Kokon steckte. Die Umrisse, mochten sie auch noch so undeutlich sein, deuteten eindeutig auf eine menschliche Gestalt hin.
    Er spürte, wie seine innere Verkrampfung mit jeder Sekunde zunahm, als wollte der auf ihm lastende Druck ihn zerstören. Es war etwas in ihm, das genau wusste, was er vorfinden würde, aber sein Verstand weigerte sich immer noch die Botschaft zu akzeptieren.
    Skar begann am ganzen Körper zu zittern und auch sein Kopf zitterte so heftig, dass er kaum noch etwas sehen konnte und plötzlich stolperte er einen Schritt zurück, der ihn fast aus dem Gleichgewicht brachte.
    Es war ein Trugbild gewesen, konnte gar nichts anderes sein. Er wusste gar nicht, wie er auf eine solch verrückte Idee kommen konnte. Wie konnte er nur glauben, jemand hinter diesem dicht gewobenen Kokon zu erkennen? Das war unmöglich, vollkommen ausgeschlossen.
    Und doch…
    Zögernd trat er wieder vor, auf das übel riechende, abstoßende Gespinst zu, das nun stärker pulsierte, als wolle es sich dem Rhythmus seines schnell schlagenden Herzens anpassen. Sein ganzer Körper brodelte vor Empfindungen, die ihn zu überwältigen drohten. Trotzdem nahm er das Hämmern in seiner Brust kaum wahr, ebenso wenig wie das Zucken und Ziehen in seinen Eingeweiden und das leichte Zittern seiner Schwerthand, das seinem
Tschekal
zu einem unruhigen Eigenleben verhalf.
    Er wollte sich umdrehen, weglaufen, seinen verwirrten Gedanken eine Ruhepause schenken, aber eine Kraft, stärker als er, schien ihn anzutreiben, den Pforten des Irrsinns oder des Todes entgegen, und er steckte das Schwert weg, das ihm jetzt sowieso nichts nutzen würde…
    Esanna? Wenn sie es wirklich war… aber es konnte nicht sein… er wusste nicht, warum, aber er war sich sicher, dass es nicht das junge Digger-Mädchen war… es war jemand anderes, ihm nur zu gut Bekanntes…
    Er hatte noch nicht einmal die Gewissheit, dass es wirklich ein Mensch war, der von dem Kokon eingewoben war, geschweige denn ein junges Mädchen. Keiner der Fäden, die sie umgarnten, war dicker als ein Haar, aber sie erschienen Skar sehr fest und irgendwie… lebendig. Vielleicht täuschten sie nur eine dahinter liegende Form vor, die es in Wirklichkeit gar nicht gab. Vielleicht war es nur eine besonders perverse Form einer Vision, mit der er gefoppt werden sollte.
    Aber dieser Gedanke änderte nichts an seinen Empfindungen. Er empfand ein Gefühl abgrundtiefer Trauer und unwiederbringlichen Verlustes. Er suchte nach einer Spur von Leben hinter dem Gespinst oder zumindest nach einer lebendigen Erinnerung an die Zeit ihres gemeinsamen Kampfes und wurde sich ihres Fehlens schmerzhaft bewusst. Neben Del war sie der Mensch gewesen, der ihm für viele, für lange Jahre am nächsten gestanden hatte.
    Kiina.
    Dreihundert Jahre war es für ihn her, dass er seine Tochter zum letzten Mal gesehen hatte, aber für ihn war diese Zeitspanne nicht mehr als ein Fingerschnippen, und es erschien ihm gerade jetzt als eine Ironie des Schicksals, dass es ausgerechnet Kiina gewesen war, die seinen Tod gerächt und Del getötet hatte.
    Kiina. Er hatte nie begriffen, nicht einmal vermutet, dass er glücklich gewesen war, wenn er mit ihr zusammen gewesen war. Sie hatte so viel Kraft und unerschütterliche Hoffnung besessen, selbst in den Momenten größter Verzweiflung nie aufgegeben. Kiina, die Tochter Gowennas.
    Er wollte zugreifen, überprüfen, ob das stimmte, was seine Seele nicht infrage stellte, sein Verstand aber nicht fassen konnte, er wollte die Hand vorstrecken, den Kokon zerreißen und sich gleichzeitig davon überzeugen, dass er wirklich die junge Kiina gefangen hielt und sich andererseits aber damit vergewissern, dass es nur eine verrückte Idee war, denn wenn überhaupt ein Mensch hier eingesponnen war, dann sicherlich nicht seine vor langer Zeit verstorbene Tochter. Es waren diese zwei gleich starken Impulse in ihm, die ihn fast wahnsinnig machten…
    Und dann wurde er sich plötzlich der Leere in seinem Inneren bewusst, die immer mehr zunahm und sich eng um seine Kehle wand und versuchte ihn herunterzuziehen, tief hinab in den Schlund, der nur wenige Schritte hinter ihm die Wirklichkeit durchschnitt und hinabreichte

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