Enwor 11 - Das elfte Buch
können. Er verstand, dass er den falschen Weg eingeschlagen hatte, um hinter das Geheimnis seiner Existenz zu kommen, dass das
Elfte Buch
ihm nicht darüber Aufschluss geben konnte. Wenn es ihm überhaupt weiterhalf, dann mit der Erkenntnis, dass Enwor tatsächlich auf den Abgrund der endgültigen Vernichtung zutrieb — und dass ihm eine Schlüsselrolle bei dem Versuch zukam genau das zu verhindern.
Nicht nur die Welt, in der er — widerstrebend — lebte, hatte sich verändert, sondern auch er selbst. Irgendwie ernüchterte ihn dieser Gedanke. Der Schmerz in seinem Inneren sank zu einem dumpfen Druck herab und mit einem Mal wurde er sich seiner Umgebung wieder bewusst; er spürte den warmen Lufthauch auf seiner Haut und den Rauch, der nun wieder in seinen Augen biss und sie tränen ließ und in seiner Kehle wie ein frischer Wundschmerz brannte: Die Flammen hatten sie gefunden und es konnte nicht mehr lange dauern, bis auch hier ein offener Brand ausbrach.
Es hatte keinen Sinn mehr. Es hatte vielleicht nie einen gehabt. Aber… da war etwas. Ein vollkommen absurdes Gefühl. Eine Ahnung, nein, schon fast so etwas wie eine Gewissheit. Wenn das stimmte, was das Buch andeutete, wenn die Zeilen stimmten, die sich auf seinen Werdegang bezogen und sein Abenteuer im
Wandernden Wald,
wenn es mehr war als nur eine Finte, mehr als nur ein Puzzleteil in dem Ränkespiel, das gedacht war zu täuschen und in die Irre zu führen…
DANN HATTE DER KAMPF GEGEN DAS
KHTAAM
BEREITS BEGONNEN, NACHDEM ER DEL KENNEN GELERNT HATTE UND ALS EINFACHER SATAI MIT IHM DURCH DIE WELT GEZOGEN WAR!
Er hatte begonnen, als sie vollkommen unerwartet von Quorrl in der Nonakesh-Wüste angegriffen worden waren und nur mit viel Glück in den
Wandernden Wald
hatten fliehen können. Er hatte mit dem Angriff der gefährlichen Hoger seinen nächsten Höhepunkt gefunden — kaum dass sie den Wald erreicht hatten — und dann mit dem allerersten Angriff der
Khtaam
einen Wendepunkt bekommen, der ihn schließlich, nach vielen Irrungen und Wirrungen, hierher geführt hatte.
Das bedeutete, dass ihn das
Khtaam
schon von Anbeginn bekämpft hatte. Vielleicht war dieser Kampf nicht mehr als der Reflex einer Kreatur, die seit einer Ewigkeit auf ihr Ziel hingearbeitet hatte…
Seit Jahrtausenden??? Seit Äonen??
… Getrieben von dem bohrenden Verlangen zu zerstören — wie Maden, die sich in einen Wirtskörper einnisteten und so lange ihr Vernichtungswerk trieben, bis sie ihren Wirt vernichtet hatten — verstümmeltes Fleisch, ein blutrünstiger Wahnsinn, der ihn verspottete und ihn in Stücke zerriss, eine schreckliche und erschreckende Wahrheit, der er nie entkommen konnte, weil sie auch in ihm war und ihn nie in Ruhe lassen würde, ihm keine Erlösung gewähren würde, so lange bis er nicht vollkommen eins geworden war mit der tödlichen Vernichtung…
Der Kreis hatte sich auf perfide Art und Weise geschlossen!
Es war vollkommen unmöglich. Er fühlte eine innere Qual, die die Grenzen des Vorstellbaren überstieg. Niederlage. Vollkommene, kompromisslose Niederlage, ein Geschlagensein schlimmer als der Tod. Der Gedanke einen Fehler begangen zu haben, weil er sich nicht zuständig gefühlt hatte für diese Welt, weil er nicht alles getan hatte, was getan werden musste, um die Wirklichkeit in die Richtung zu verbiegen, die Enwor noch eine Chance lassen würde — dieser Gedanke wurde übermächtig.
In diesem Moment holte ihn die Wirklichkeit wieder ein: das Stampfen schwerer Säulenbeine, das Klirren von Waffen, leise gemurmelte Befehle, deren Wortlaut im Knistern und Knacken schwelenden Holzes unterging. Er wusste sofort, was das bedeutete: Sie hatten ihn gesucht und gefunden, sie waren seinen Spuren gefolgt und hatten vielleicht nicht nur ihn aufspüren wollen, sondern auch das Buch.
Aber sie kamen zu spät. Er hätte sich nochmals zum Kampf stellen können, versuchen können gegen die Übermacht aus wütenden Quorrl und zu allem entschlossenen Satai anzutreten, die hier gleich auftauchen würde. Aber wozu? Mit welchem Ziel?
Er hatte mehr erfahren, als er hatte wissen wollen. Und außerdem war schon genug Blut geflossen.
»Skar«, flüsterte Esanna, die durch die Geräusche aus ihrem tiefen Erschöpfungszustand hochgeschreckt war. »Es kommt… jemand.« Sie sah sich gehetzt um. »Wir müssen verschwinden.«
»Zu spät«, murmelte Skar, der sehr genau wusste, was all die Laute zu bedeuten hatten, die sich wie ein erstickendes Netz um sie
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