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Enwor 11 - Das elfte Buch

Enwor 11 - Das elfte Buch

Titel: Enwor 11 - Das elfte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Dutzend Eier in den Nestern. Beinahe gierig nahm er eines nach dem anderen heraus, drückte mit dem Fingernagel die gefleckte Schale ein und schluckte den Dotter herunter. Die Möwen umtanzten ihn kreischend, und ein besonders mutiges Tier stürzte sich auf ihn und versuchte ihn von seinem Gelege zu verjagen.
    Er schlug nach ihm. Nicht einmal wirklich mit der Absicht es zu treffen, doch der Hieb war so schnell und so unerwartet kraftvoll, dass sein Handrücken die Möwe im Flug traf und auf den Fels herabschmetterte. Das Tier kreischte erschrocken und versuchte ungeschickt und mit schlagenden Flügeln sich aufzurichten, doch auch seine nächste Bewegung war von einer Schnelligkeit, die ihn selbst am meisten überraschte. Blitzartig packte er zu, brach dem Tier das Genick und begann schnell und ohne wirklich darüber nachzudenken den Kadaver zu rupfen.
    Die Möwe war nicht besonders groß und er hatte kein Werkzeug, um sie auszunehmen, sodass er auf Finger und Zähne angewiesen blieb und nur einen kleinen Teil des Fleisches roh herunterschlingen konnte. Der Geschmack war ekelhaft, aber er brachte auch Leben und frische Energie, die ihn seinen Widerwillen vergessen ließen. Außerdem hatte sein Hunger mittlerweile die Grenze zwischen Unbehagen und Schmerz überschritten und er ahnte auch, dass noch viel größere Anstrengungen vor ihm lagen, sodass er sich zwang weiterzuessen, bis das wütende Rumoren in seinem Magen nachließ. Danach schleuderte er die Reste des toten Vogels so weit von sich, wie er nur konnte.
    Mit einer Mischung aus Überraschung und Ekel betrachtete er seine blutigen Hände, ein wenig erschrocken über seine eigene Schnelligkeit, viel mehr aber noch über die Art, auf die er reagiert hatte. Blitzartig und richtig und ohne auch nur über das nachzudenken, was er tat. Vielleicht hatte ja der Hunger seine Reaktion diktiert, aber er wusste nun, was er war: Sein Hieb war die kompromisslose Reaktion eines Kriegers gewesen. Ein weiteres wertvolles Stück in dem Mosaik in seinem Kopf, das er zusammensetzen musste.
    Sein Hunger war halbwegs gestillt, aber er nahm trotzdem auch noch die letzten Eier aus dem Nest — wenn auch mehr, um den widerwärtigen Geschmack nach rohem Fleisch zu vertreiben — und leerte sie auf die gleiche Weise wie die zuvor. Der schlechte Geschmack blieb jedoch in seinem Mund. Obwohl ihm die Erinnerung an sein Essen ein mittlerweile fast körperliches Gefühl von Ekel bescherte, wusste er doch zugleich, dass er schon Schlimmeres gegessen hatte. Was zählte, war Überleben, sonst nichts.
    Möglicherweise würde ihm das, woran er sich so verzweifelt zu erinnern versuchte, nicht sehr gefallen. Vielleicht war der Grund, aus dem er sich nicht mehr an sein bisheriges Leben erinnern konnte, ganz einfach der, dass er es nicht wollte.
    Er sprang mit einer kraftvollen Bewegung vom Felsen herunter, drehte sich einmal im Kreis und marschierte in der einzigen Richtung los, die sinnvoll, war: weiter am See entlang und auf die Klippe zu. Er wusste nicht, ob es eine Möglichkeit gab, sie zu ersteigen, aber irgendwie musste er dort hinauf.
    Während er mit schnellen, aber Kräfte sparenden Schritten am Ufer entlangging, sah er wieder zu der gezackten Schattenlinie empor, die zwischen den sprühenden Gischtwolken am oberen Rand des Wasserfalles aufragte. Es erschien ihm fast unmöglich — die Strömung dort oben musste unvorstellbar sein —, aber die Gebäude schienen direkt in den Wasserfall hineingebaut zu sein. Ganz davon abgesehen, dass dies kaum möglich war, fragte er sich, welchen Sinn ein solches Bauwerk gehabt hätte. Wozu den Urgewalten der Natur trotzen, wenn es keinerlei Nutzen dabei gab?
    Er war der Klippe kaum näher als vorhin, aber er konnte sie nun trotzdem deutlicher erkennen. Es waren Ruinen, ganz ohne Zweifel: zerborstende Mauern, die einst zinnengekrönt gewesen waren, höhere Bögen gemauerter Brücken, die nun im Nichts endeten, eingestürzte Kuppeln, die sich wie versteinerte Fäuste in den Himmel reckten. Obwohl er sie im Gegenlicht kaum deutlicher denn als Schatten erkennen konnte und ihm die Helligkeit immer wieder die Tränen in die Augen trieb, konnte er doch sehen, dass sie aus einem schwarzen, sonderbaren Stein bestanden, der irgendwie das Licht zu schlucken schien. Er wusste, dass er härter war als Stahl, härter als jedes andere Material, das es auf dieser Welt gab, selbst härter als Diamant. Wenn die Linie aus dunklem Grün, die den Wasserfall säumte, aus

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