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Enwor 11 - Das elfte Buch

Enwor 11 - Das elfte Buch

Titel: Enwor 11 - Das elfte Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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lernte er etwas Neues. Alles, was er erlebte, war neu für ihn, aber diese Erfahrung war auf eine erschreckende Art anders als die wirkliche Welt zuvor.
    Er träumte.
    Es war kein angenehmer Traum. Und er hatte keinerlei Gestalt. Er sah Bilder, hörte Geräusche und empfand Gefühle, die ihm allesamt fremd und unbekannt waren und die doch eines gemeinsam hatten: Sie lehrten ihn eine andere Dimension des Schreckens, gegen den es keine Gegenwehr gab, bis die Furcht schließlich so groß wurde, dass er mit einem Schrei die Lider hob und sich aufsetzte.
    Sein Herz raste und mehr noch hämmerten seine Gedanken. In seinen Ohren war noch immer das Brüllen des Sturmes. Er war nicht mehr da, aber seine Stimme war zurückgeblieben und er konnte spüren, wie der Boden unter ihm immer noch sacht unter der Wucht der Brandung vibrierte. Bilder, Erinnerung und Fetzen seines gestaltlosen Traumes vermengten sich hinter seiner Stirn zu einem sinnverwirrenden Wirbel, der ihn im ersten Moment schwindeln ließ.
    Er hatte sich zu schnell aufgesetzt. Die ungewohnte Helligkeit schmerzte in seinen Augen, und das Echo einer Stimme die ihn aus seinem Traum heraus ins Wachsein verfolgt hatte, klang noch in seinen Ohren nach. Er konnte sich nicht erinnern, was sie gesagt hatte, aber es war die gleiche Stimme, die er schon in der Nacht gehört hatte. Die Stimme eines Gottes, die jede Faser seines Körpers durchdrang und gegen die es keinen Widerspruch gab.
    Hastig schloss er die Augen, stützte sich mit den Handflächen am Boden auf und wartete, bis sich das Schwindelgefühl legte. Erst dann wagte er es, die Lider wieder zu heben, immer noch mit klopfendem Herzen und darauf gefasst, ja, für einen kurzen Moment sogar davon überzeugt, die Ungeheuer aus seinem Traum zu gewahren, die die Grenzen zur Wirklichkeit überschritten hatten: etwas Schwarzes, Chitinglänzendes, Hartes, mit dünnen Spinngliedern und starrenden, großen Augen, in denen das Wissen um alle Geheimnisse schlummerte, die ihm noch verborgen waren; und die er auch gar nicht kennen wollte.
    Aber da war nichts. Die Sternenbestie war nicht da. Unendlich vorsichtig wandte er den Kopf und sah sich um. Der Traum war vorüber und die Sonne stand als glühender, orangefarbener Ball bereits einen Fingerbreit über dem Horizont im Osten, über einer dunkelblauen, geraden Linie, die ihr Spiegelbild verzerrt und silberdurchwoben zurückwarf. Im ersten Moment glaubte er aufs offene Meer hinauszublicken, doch dann wurde ihm klar, dass die Schatten dafür zu hart und die Spiegelungen zu matt waren. Es war hitzeflimmernde Luft, die über dem Land im Osten kochte und so Trugbilder und Visionen entstehen ließ. Der Tag war angebrochen und es war bereits jetzt sehr heiß. Er musste sehr lange hier gelegen und geschlafen haben.
    Der Gedanke erschreckte ihn. Er war vollkommen hilflos gewesen; schutz- und wehrlos jedem Raubtier oder jedem Feind ausgeliefert, der sich angeschlichen hätte. Eine weitere Erinnerung, die plötzlich da war: Er wusste nicht, wer sie waren und warum es sie gab, aber er wusste, dass er Feinde hatte. Gefährliche Feinde.
    Behutsam setzte er sich weiter auf, rieb sich in einer Bewegung, der er sich nicht einmal bewusst war, Schmutz und Sand von den Schultern und aus dem Gesicht und setzte unterdessen seine Musterung der Umgebung fort: Er war allein und er hatte sich in mehr als einer Beziehung getäuscht. Was er in der Nacht für einen Strand gehalten hatte, das war das Ufer eines großen Sees, dessen Oberfläche noch immer in schäumender weißer Gischt kochte, obwohl der Sturm endgültig erloschen und die Luft fast unbewegt war. Das dröhnende Vibrieren, das er immer noch hörte und spürte, war die Stimme eines gigantischen Wasserfalles, der zwei oder vielleicht auch drei oder noch mehr Meilen entfernt aus einer fast absurden Höhe herabstürzte: hunderte von Manneslängen, wie es ihm vorkam.
    Er beschattete die Augen mit der Hand, blinzelte zu der Klippe hinauf und glaubte bizarre, dunkle Umrisse gegen den Himmel zu erkennen, fast zu regelmäßig, um von der Hand der Natur erschaffen worden zu sein, aber auch zu abstrakt, als dass sie das Werk von Menschen sein konnten. Vielleicht Ruinen. Vielleicht die Burg des zornigen Gottes, der ihn aus seinem Leben gerissen und an dieses Ufer geschleudert hatte.
    Er war dort oben gestorben.
    Der Gedanke stand ganz klar und jenseits jedes Zweifels hinter seiner Stirn und er dachte ihn vollkommen ohne Schrecken oder gar Angst. Wie auch?

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