Enwor 3 - Das tote Land
Die Sumpfbrüder werden sie abwehren. Wir müssen weg.«
Skar zögerte. Sie waren nur wenige Schritte in den Wald eingedrungen, aber selbst von hier aus war es schon fast unmöglich, zu sehen, was sich draußen abspielte. Die blitzenden Kristall-stämme standen so dicht, daß alles, was mehr als einen Schritt entfernt vor sich ging, hinter einem Vorhang aus Licht und tanzenden Reflexen verborgen blieb. Seine Hand glitt an den Gürtel, ehe ihm einfiel, daß El-tra seine Waffe hatte. Aber schließlich kämpfte er auch seinen Kampf.
»Wir müssen weiter«, sagte Gowenna noch einmal. »Hier sind wir nicht sicher. Sie haben sich noch nicht von der Überraschung erholt, aber wenn Vela alle ihre Krieger hinter uns herschickt, dann erwischen sie uns.«
Skar nickte, doch es war eigentlich nur ein Reflex auf den Klang ihrer Stimme, nicht auf die Worte. Er bückte sich zu Del herab, drehte ihn auf den Rücken und untersuchte ihn flüchtig.
Der Verband an Dels Hand war gerötet von frischem Blut, aber sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. »Du mußt mir helfen, ihn zu tragen«, sagte er. »Ich schaffe es nicht mehr allein.«
Gowenna runzelte die Stirn, schwieg aber. Gemeinsam hoben sie Del hoch, wobei Skar ihn unter den Schultern ergriff und sich bemühte, den Großteil des Gewichts zu übernehmen. »Wohin?« Gowenna deutete mit einer Kopfbewegung nach Süden, tiefer in den Wald hinein. Sie gingen los, aber es erwies sich als fast unmöglich, neben- oder hintereinander zu gehen und Dels reglosen Körper mitzuschleppen. Das Geflecht der Bäume und Büsche war zu eng, die Stämme, die zum Teil nur dünn wie Schilf, mancherorts aber auch so stark wie ein Menschenleib waren, standen zu eng, und dort, wo ein Durchkommen möglich schien, waren die Zwischenräume Fallgruben aus tödlichen Klingen und Dolchen. Skar, der vorausging, war schon nach Augenblicken am ganzen Leib zerstochen und zerschnitten; er blutete aus unzähligen winzigen Wunden, und einer der harten Stengel war wie ein Dolch durch die zähe Sohle seines Stiefels gefahren und hatte sich in seinen Fuß gebohrt.
Skar blieb stehen, schüttelte erschöpft den Kopf und ließ Del behutsam zu Boden sinken. »Sinnlos«, sagte er. »Wir müssen warten, bis er erwacht.«
»Er wird nicht sehr begeistert sein«, vermutete Gowenna. Etwas in ihrer Stimme, ein Unterton, den sie angestrengt zu verbergen versuchte, der aber trotzdem hörbar blieb, ließ Skar aufsehen. »Und du auch nicht«, sagte er.
Gowenna antwortete nicht. Die düstere Beleuchtung hier im Inneren des Waldes machte es Skar unmöglich, den Ausdruck auf ihren Zügen zu erkennen, aber er spürte trotzdem, daß er mit seiner Vermutung ins Schwarze getroffen hatte.
»Er wird uns keine Schwierigkeiten bereiten, das verspreche ich«, sagte er.
Gowenna drehte sich um und sah eine Weile in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Sie hatten sich kaum weiter als dreißig oder vierzig Schritte vom Waldrand entfernt, aber selbst hier war der Lärm des Kampfes kaum noch zu hören. Die silbrigweißen Stämme und Blätter des erstarrten Waldes schienen nicht nur das Licht, sondern auch jegliches Geräusch zu verschlucken.
»Was war mit Tantor?« fragte sie, ohne ihn anzusehen.
»Was soll mit ihm gewesen sein? Du hast es gesehen.«
Gowenna nickte. »Ja. Aber ich möchte eine Erklärung für das, was ich gesehen habe.«
Skar schürzte wütend die Lippen. »Was gibt es da zu erklären?
Er hat sein Pferd zuschanden geritten. Wenn ich ihn nicht weggestoßen hätte, hätte er mich mit aus dem Sattel gerissen. Und mein Tier hätte keine drei Männer getragen.«
Gowenna drehte sich nun doch herum, schnell, mit einer abgehackten, fast wütenden Bewegung, starrte sekundenlang wortlos auf Del hinab und ballte die Fäuste.
»Drei nicht, aber zwei.«
»Del ist mein Freund«, sagte Skar betont. »Und es ist mir vollkommen egal, was er getan oder gesagt hat, Gowenna. Ich werde herausfinden, was diese Hexe mit ihm getan hat, und ich werde ihm helfen.«
»So wie du Tantor geholfen hast?«
Skar machte eine wütende Geste. »Was ist in dich gefahren?« regte er sich auf. »Hast du plötzlich dein Herz für diesen Gnom entdeckt? Er wußte genau, welches Risiko diese Flucht bedeutet. Und ich kann nichts dafür, wenn er mit einem Messer auf sein Pferd einsticht, um es weiterzutreiben! Was hätte ich tun sollen? Del aus dem Sattel werfen, um ihm zu helfen? Oder warten, bis Velas Schergen uns alle drei wieder eingefangen
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