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Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Enwor 4 - Der steinerne Wolf

Titel: Enwor 4 - Der steinerne Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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lächelte unsicher und beinahe verlegen und fuhr nach einem verwirrten Kopfschütteln fort: »Von seinem Standpunkt aus betrachtet, habe ich ihn verraten, glaube ich. So wie du mich gestern nacht verraten hast, um einen Freund zu retten.«
    Herger zuckte zusammen. »Ich ...«
    »Kein Vorwurf, Herger«, sagte Skar rasch. »Du wolltest eine Antwort, und mehr war es nicht. Ich hatte die Wahl zwischen seinem Leben und dem eines Freundes.«
    »Und?« fragte Herger. »Lebt dein Freund?«
    Skars Miene verdüsterte sich. Leben?
Lebte Del?
Vielleicht würden ihn die Sumpfleute auferstehen lassen, aber würde er jemals wieder der Del sein, den er gekannt hatte?
    »Ich weiß es nicht«, sagte er schließlich. »Und es spielt auch keine Rolle mehr. Jetzt nicht mehr.«
    Herger seufzte. »Warum erzählst du mir nicht alles?« fragte er geduldig. »Früher oder später erfahre ich es ja doch. Stückweise und unvollkommen, aber ich erfahre es.« Er wandte den Kopf, sah Skar einen Herzschlag lang nachdenklich an und preßte die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Dann deutete er nach Norden. »Wir werden zwei Wochen unterwegs sein, mindestens. Vielleicht länger, wenn wir uns unterwegs verbergen müssen, und wahrscheinlich werden wir Umwege machen müssen, weil die Pässe gesperrt sind. Eine lange Zeit, wenn man sich jedes Wort überlegen muß, das man spricht.«
    Skar schwieg.
    »Du hast mich vorhin schon gefragt, was für ein Mann ich bin«, fuhr Herger fort.
    »Du hast nicht geantwortet.«
    Herger lächelte und wurde sofort wieder ernst. »Zum einen bin ich sehr neugierig«, sagte er scherzhaft und dann ernsthafter:
    »Aber ich habe auch eine Menge Freunde. Männer, die dir helfen können. Ich glaube nicht daran, daß die
Errish
in aller Stille einen Krieg gegen den Rest der Welt vorbereiten, Skar, aber ich glaube, daß in diesem Land irgend etwas vorgeht, das nicht gut ist. Und ich möchte wissen, was. Deshalb habe ich dir geholfen.
Auch
deshalb«, fügte er nach einer kaum merklichen Pause hinzu.
    Skar schwieg noch immer, obwohl er selbst nicht zu sagen wußte, warum. Der Mann, der er noch vor ein paar Monaten gewesen war, hätte geantwortet. Er hätte jede Chance ergriffen, Männer um sich zu scharen, um gegen Vela zu ziehen.
    Aber er war nicht mehr der Mann, der gegen Combat gezogen war. Nur war die Veränderung anders, als er bisher geglaubt hatte. Er hatte geglaubt, sich Vela anzupassen, hatte diesen fast schmerzhaften Wandel in sich zwar gespürt, aber in der falschen Richtung interpretiert. Seine Zweifel, die Unruhe, die ihn bereits in Hergers Haus überkommen hatte, die unerklärliche Schwäche, die ihn überfallen hatte, als sie flohen, und die jetzt noch nicht vollends verschwunden war ... Um ein Haar hätte er laut aufgelacht. Hatte er sich wirklich eingebildet,
härter
geworden zu sein? Irgend etwas in ihm hatte ihm gesagt, daß er Vela nur besiegen konnte, wenn er wie sie wurde, wenn er genauso berechnend und kalt mit Menschenleben umging, wenn er tötete, ohne zu denken, wenn er alles, was er je über Ehre und Ritterlichkeit gelernt hatte, über Bord warf und dem Ungeheuer in sich freie Bahn ließ.
    Aber das Ungeheuer war nicht mehr in ihm. Sein Dunkler Bruder war fort, schon lange, und er begann erst jetzt allmählich zu spüren, wie sehr er bisher sein Leben bestimmt hatte. Seine Schwäche war nichts als Ekel gewesen, Ekel vor sich selbst, vor seinen Händen, die — wieder einmal — getötet hatten. Vielleicht, dachte er, war der steinerne Wolf nichts anderes als die Verkörperung seines Dunklen Bruders, ein Ding, langsam über Jahrzehnte in ihm herangewachsen, das jetzt zu eigenem, bösem Leben erwacht war.
    »Wie lange, sagst du, brauchen wir bis Elay?« fragte er, mühsam die Erinnerungen und Gedanken zurückdrängend, die seine Seele wie der Hauch einer üblen, schleichenden Krankheit zu verpesten begannen.
    »Zwei Wochen«, antwortete Herger. »Eher drei, wenn wir einen Bogen um die Städte schlagen, was wir wahrscheinlich tun müssen.«
    »Drei Wochen ...« Skar atmete hörbar ein. »Zeit genug zum Reden.«

D er Fluß schnitt wie ein braunes, in willkürlichen Schleifen und Kehren hingeworfenes Band unter ihnen durch die Ebene. Die schlammigen braunen Fluten schienen sich träge zu Tal zu wälzen, aber Skar wußte, daß dieser Eindruck täuschte. Sie waren noch eine gute Meile vom Ufer entfernt; vielleicht auch noch mehr. Das Land war hier flach und ohne sichtbare Markierungen — es gab nichts,

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