Enwor 5 - Das schwarze Schiff
Weile klar wurde, daß Skar nicht von sich aus antworten würde. »Wir müssen etwas unternehmen.«
»Und was?« fragte Skar.
Dels Blick verhärtete sich. Seine Augen glitzerten wie kleine polierte Stahlkugeln im Halbdunkel der Höhle. »Was soll das, Skar?« fragte er leise. »Seit wann gibst du auf? Seit wann legst du die Hände in den Schoß und resignierst? Ich dachte, das wäre etwas für Männer wie Helth.«
Skar überging den lauernden Ton in seiner Stimme. »Ich —weiß einfach nicht weiter«, bekannte er und starrte an Del vorbei in die tanzenden Schatten, die sich wieder wie ein Vorhang zwischen sie und die glatte Eiswand im hinteren Drittel der Höhle geschoben hatten. Die Männer waren — mit wenigen Ausnahmen — wieder zu ihren Lagern zurückgekehrt, aber keiner von ihnen schien zu schlafen. Da und dort hatten sich kleine Gruppen zusammengefunden; einige redeten miteinander, die meisten saßen nur da und starrten dumpf vor sich hin, sie waren nicht zusammen, um zu reden, sondern nur, um nicht allein sein zu müssen. Angst lag wie etwas Spürbares, Finsteres in der Luft. »Irgend jemand spielt mit uns«, murmelte er. »Aber ich weiß nicht, wer, und ich weiß nicht, warum.« Er ballte die Faust, wie um sich damit auf die Schenkel zu schlagen, und ließ die Hand dann mit einem kraftlosen Kopfschütteln wieder sinken. »Verdammt, Del, ich kann nicht gegen einen Gegner kämpfen, den ich nicht kenne. Ich kann keinen Kampf gewinnen, von dem ich nicht einmal weiß, worum es geht.«
»Du kannst nicht gegen die ganze Welt kämpfen, Skar«, murmelte Del. »Es wird Zeit, daß du das begreifst. Du wirst dir Verbündete suchen müssen.«
»Wie —«
»Frag mich nicht, wie ich das gemeint habe«, entgegnete Del scharf. Seine Augen waren noch immer geschlossen; sein Kopf lehnte entspannt am Felsen. Aber seine Worte straften die Haltung Lügen. »Du weißt es ganz genau, Skar.« Er lachte ganz leise. »Sieh dich doch um. Diese Männer hier — sie sind nicht deine Verbündeten. Es sind nicht einmal
deine
Männer. Ich glaube, im Grunde fürchtest du dich sogar vor ihnen.« Er schwieg einen Moment, setzte sich wieder auf und blickte an Skar vorbei zum Höhlenausgang. Vor dem niedrigen Halbrund begann sich das erste Grau der Dämmerung abzuzeichnen. »Helth?« fuhr er fort und lachte wieder. »Über ihn brauchen wir nicht zu reden. Und was ist mit mir?«
»Du —«
Wieder unterbrach ihn Del, und diesmal war etwas in seiner Stimme, was Skar alarmiert aufhorchen ließ. »Ich beginne mich zu fragen, ob es nicht ein Fehler war, zu dir zurückzukehren, Skar«, sagte er. »Man sagt, daß ein Satai spürt, wenn seine Ausbildung beendet ist und er allein weiterziehen muß. Vielleicht habe ich diesen Zeitpunkt verpaßt. Vielleicht hätte ich nie einen Fuß auf dieses Schiff setzen sollen.« »Bitte, Del«, murmelte Skar. »Ich... ich habe nicht die Kraft, mich jetzt auch noch mit dir zu streiten.«
»Genau das ist es«, erwiderte Del ruhig. »Ich will nicht mit dir streiten, Skar. Ich will nur mit dir reden, mehr nicht. Wir waren einmal Freunde.«
»Sind wir das nicht mehr?«
»Ich weiß es nicht«, entgegnete Del. Seine Stimme klang plötzlich sehr ernst. »Ich weiß, daß es der schlechteste Moment ist, um darüber zu reden, aber...«
»Warum tust du es dann?«
»Vielleicht, weil es der letzte mögliche Moment ist, Skar. Vielleicht, weil wir morgen sterben werden, und weil ich wissen möchte, ob ich neben einem Freund oder einem Fremden kämpfe, Skar. Ist es wegen ... Vela?« Er lächelte bitter. »Ich habe sie geliebt, ich weiß, aber es ist vorbei. Die Frau, die sie einmal war —«
»Existiert nicht mehr, ich weiß«:, unterbrach ihn Skar verärgert.
»Weißt du eigentlich, wie oft ich diesen Satz in den letzten Tagen gehört habe?«
»Vielleicht sollte ich statt dessen sagen, daß der Mann, den ich einmal gekannt habe, nicht mehr existiert«, verbesserte sich Del. Plötzlich schwang ein neuer, aggressiver Ton in seinen Worten. »Was ist mit dir, Skar? Du hast dich verändert, seit...« er zögerte, »seit ich dich verlassen habe, damals in Cosh. Ist es das? Hast du es nicht verwunden, daß ich dich im Stich gelassen habe, einer Frau wegen?«
Skar schüttelte den Kopf. Nein. Das war es nicht gewesen. Aber Del war der Antwort nahe, vielleicht näher, als er selbst ahnte.
»Vielleicht frage ich mich, wer du bist, Del«, murmelte er. »Vielleicht weiß ich nicht, wer aus den Sümpfen von Cosh
Weitere Kostenlose Bücher