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Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Titel: Enwor 5 - Das schwarze Schiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Männer sicher gefühlt haben. Aber die schlimmste Waffe ihres Feindes waren nicht Feuer und Glut des Dronte, auch nicht die blitzenden Klingen der Eiskrieger. Es war seine Fremdartigkeit, die Aura des anderen, Nichtlebenden, die wie ein unsichtbarer Pesthauch über dieser Insel lag und langsam ihre Gedanken vergiftete, zehnmal mehr an ihren Kräften zehrte, als es die Kälte und die Entbehrungen allein ge-konnt hätten. Auch Skar selbst spürte es; vielleicht stärker als sie alle. Vielleicht war die körperlose Stimme in ihm nicht sein dunkler Bruder, dieses Erbe der alten Menschen, mit dem er geschlagen war wie mit einem bösen Fluch, sondern nichts als ein Echo, die Antwort seiner eigenen Seele auf den Ruf des Dronte, seine eigene Art, mit der Furcht vor dem Fremden fertig zu werden.
    Die Männer wichen zur Seite, als Skar zu seinem Lager ging und sich mit einem erschöpften Seufzen auf die zerschlissenen Decken sinken ließ. Er fror, und er fühlte sich — inmitten dieses immer noch beinahe halben Hunderts Männer — einsam, auf eine quälende, entmutigende Art allein. Die Matrosen gingen einer nach dem anderen wieder zu ihren Plätzen zurück, und Skar fiel plötzlich und mit schmerzhafter Intensität wieder auf, daß sein eigenes Lager ein Stück abseits der anderen war; nicht viel, aber doch so deutlich, daß es kein Zufall mehr sein konnte. Sie wichen vor ihm zurück, aber er spürte, daß es weniger Respekt war, der das Verhalten der Männer bestimmte, sondern vielmehr Furcht. Furcht wovor, dachte er. Vor seinen Händen, mit denen er töten konnte wie sie mit Schwert und Bogen? Kaum. Sie waren noch immer sechsunddreißig, mehr als genug, um auch mit einem Satai fertig zu werden. Oder war es vielleicht so, daß sie keinen Unterschied zwischen ihm und dem Dronte machten, daß er einfach fremd und damit ein Eindringling, vielleicht sogar ein Feind war?
    Im Grunde war dies nicht ihr Kampf. Alles, was geschehen war, hatte auf die eine oder andere Weise mit ihm, mit Gowenna oder Vela zu tun. Das Schicksal der Freisegler war entschieden, als der Dronte ihr Schiff verbrannt hatte, und vielleicht war es wirklich so, wie Helth sagte: Er zögerte ihren Tod nur hinaus und verlängerte ihn um seine eigenen Qualen.
    Er dachte wieder an Rayan, und er wußte jetzt, daß der Freisegler recht damit tat, ihm das Kommando über seine Männer zu übertragen und nicht Helth; zumindest von seinem Standpunkt aus. Hätte der Vede die Männer geführt, wäre er es gewesen, der sie hierher, ans Ende der Welt und ans Ende jeder Hoffnung brachte, säße er jetzt statt seiner hier und würde ihre Furcht und ihre Ablehnung spüren. Rayan mußte gewußt haben, daß es keine Rettung mehr für sie gab. Und er hatte nicht seinen Sohn, sondern ihn zum Schuldigen gemacht.
    Skar sah auf, als Del sich mit überkreuzten Beinen neben ihn auf das Lager sinken ließ und den Kopf gegen die Wand lehnte.
    »Was hast du?« fragte der junge Satai. »Du siehst aus, als würde dich etwas bedrücken.« Er lächelte.
    Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte er Dels gutmütigen Spott als die Aufmunterung empfunden, als die es gemeint war, und es hätte sogar funktioniert. Jetzt war es nichts als Gewohnheit, daß er sein Lächeln erwiderte.
    »Es ist nichts«, murmelte er. »Ich übe mich ein bißchen in Selbstmitleid, das ist alles.«
    »Selbstmitleid?« Dels linke Augenbraue zuckte ein Stück in die Höhe. »Ich erinnere mich an einen Mann, der mir stundenlange Vorträge darüber gehalten hat, wie wenig nutzbringend es ist, über Dinge zu jammern, die geschehen sind und sich nicht mehr rückgängig machen lassen. Was ist mit ihm geschehen?«
    Skar antwortete nicht, aber Dels Worte übten eine eigenartige Wirkung auf ihn aus. War es das? Del hatte es schon einmal gesagt, aber damals hatte er nicht begriffen, was der junge Satai wirklich damit meinte; er hatte nicht darüber nachgedacht, vielleicht nicht einmal darüber nachdenken wollen, weil er da schon spürte, daß Del sich im Recht und er sich im Unrecht befand. Waren es vielleicht gar nicht Del und Gowenna, die sich verändert hatten, sondern er?
    Er erschrak. Als hätte die Frage eine unsichtbare Barriere in seinen Gedanken niedergerissen, fielen ihm noch einmal die tausend Dinge ein, die seither geschehen waren, Belanglosigkeiten zumeist, die Unterschiede, die er bei Del zu sehen geglaubt hatte und die vielleicht in Wirklichkeit bei ihm lagen.
    »Im Ernst, Skar«, fuhr Del fort, als ihm nach einer

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