Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Enwor 5 - Das schwarze Schiff

Titel: Enwor 5 - Das schwarze Schiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
träge vor, und das Schiff begann immer wieder vor seinen Augen zu verschwimmen und schien sich immer weiter zu entfernen.
    Ein zweiter Bolzen prallte dicht neben dem ersten gegen die Wand, rutschte klirrend herunter und klatschte ins Wasser. Rayan begann zu schreien und überschüttete die Männer am Katapult mit einem Schwall von Flüchen und Verwünschungen. Das Seil wurde eingezogen und neu aufgewickelt, während die Matrosen das Katapult für einen weiteren Schuß spannten.
    Skar beobachtete das Treiben auf dem Schiff ohne sonderliche Anteilnahme. Er mußte all seine Willenskraft aufwenden, um nicht einzuschlafen. Die Kälte wich Stück für Stück aus seinem Körper und wurde von einer tauben, auf eigenartige Weise beinahe wohltuenden Müdigkeit abgelöst. Es war sein sicherer Tod, wenn er jetzt einschlief, das wußte er. Trotzdem fiel es ihm von Sekunde zu Sekunde schwerer, die Augen offenzuhalten.
    Das Katapult entspannte sich mit einem schmetternden Knall. Diesmal saß der Bolzen sicher im Eis, kaum eine Handbreit unter dem ersten. Eine hochgewachsene, schlanke Gestalt schwang sich mit einer eleganten Bewegung über die Reling der SHAROKAAN, glitt dicht über der Wasseroberfläche auf ihn zu und begann noch während des Sprunges am Seil emporzuklettern. Offensichtlich hatte der Mann aus seinem Fehler gelernt.
    Wieder vergingen Minuten; Zeit, in der es Skar immer schwerer fiel, seinen Geist gegen die dunkle Woge hinter seiner Stirn zu behaupten. Die Schwingungen des Seiles neben ihm wurden länger, als der Mann mit kraftvollen Bewegungen daran heraufkletterte.
    »Halt aus!« brüllte Rayan. »Brad läßt dir ein Seil herunter!«
    Skar wollte nicken, aber selbst dazu fehlte ihm die Kraft.
    Von oben ertönte für eine Weile ein hektisches Klirren und Hämmern; Eis rieselte herab und ließ unter ihm das Wasser aufspritzen.
    Skar zerbrach sich eine Weile den Kopf über die Ursache des Geräusches, aber seine Gedanken führten einen irren Tanz auf und weigerten sich, in geordneten Bahnen zu laufen. Trotzdem klammerte er sich daran fest, lauschte auf jeden Laut, jede Nuance, nur um nicht einzuschlafen.
    »Das Seil, Skar!«
    Wieder Gowennas Stimme. Er verstand die Worte, aber es war so schwer, ihren Sinn zu begreifen. Er war so müde. Alles was er wollte, war schlafen; die Augen schließen und der verlockenden Wärme nachzugeben. Aber er durfte es nicht. Nicht jetzt.
    »Skar! Nimm das Seil! Die Schlaufe!«
    Diesmal glaubte er einen Unterton von Verzweiflung in ihren Worten zu hören. Aber sie mußte trotzdem noch vier- oder fünfmal rufen, ehe Skar endlich reagierte. Mühsam hob er den Kopf und blinzelte nach oben. Die Sonne stand als lohender Ball über dem Rand des Kraters. Ihr Licht brach sich in der schimmernden Eiskante und blendete ihn, gaukelte ihm Schatten und Bewegung vor, wo nur eisige Starre war. »Das Seil, Skar!« Wieder diese Stimme. Er blinzelte, zwang sich, in das regenbogenfarbige Licht zu sehen und drehte mühsam den Kopf.
    Neben ihm baumelte eine Seilschlaufe. Er griff ungeschickt danach, verfehlte sie und wäre um ein Haar von seinem improvisierten Sitz gefallen. Erst beim zweiten Versuch gelang es ihm, sie mit starren Fingern zu ergreifen und ungeschickt über Kopf und Schultern zu streifen.
    Von oben wurde das Seil angezogen. Die Schlaufe zog sich zusammen und schnitt schmerzhaft wie ein glühender Draht in seine Haut.
    Er bekam kaum noch Luft. Das Seil spannte sich, und Skar wurde unsanft in die Höhe gerissen. Sein Körper pendelte wild hin und her. Er versuchte, sich mit den Händen abzustützen und wenigstens die schlimmsten Schläge aufzufangen, war aber trotzdem schon nach Sekunden von einer Unzahl von Prellungen und blutigen Schürfwunden übersät. Der Schmerz ließ ihn aufstöhnen, aber gleichzeitig war er beinahe dankbar dafür, denn er zerriß die schwarze Decke, die sich über sein Bewußtsein legen wollte. Wie ein Ertrinkender griff er danach, zog sich an ihm entlang wie an einer dünnen, brennenden Rettungsleine, klammerte sich an die letzte Möglichkeit, nicht das Bewußtsein zu verlieren und endgültig in den drohenden Abgrund zu fallen: Bewußtlosigkeit und Schlaf, denen der Tod folgen würde.
    Der Aufstieg dauerte nicht lange. Schiff und Meer sackten unter ihm weg, und schon nach kurzer Zeit tauchte die Kante der Eismauer vor ihm auf; dann griffen zwei kräftige Hände unter seine Achseln und zerrten ihn vom Abgrund weg. Dunkle Augen blickten besorgt aus einem

Weitere Kostenlose Bücher