Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter
bist du, und was tust du hier?«
»Laß ihn doch, Talin«, sagte Syrr matt. »Irgend jemandem müssen wir schließlich vertrauen, oder?«
»So wie Ghandrij?« Talin zog eine Grimasse, spie aus und deutete anklagend auf Skar. »Er soll verschwinden! Wir haben bisher niemanden gebraucht, und wir brauchen auch jetzt keinen. Bisher sind wir ganz gut allein zurechtgekommen, oder?«
Skar beschloß, das einzige zu tun, was ihm sinnvoll erschien —den Knaben zu ignorieren. »Erzähle«, sagte er, an Syrr gewandt. »Wie viele sind es, und warum verfolgen sie euch?«
»Erst du!« beharrte Talin. »Wer bist du?«
Skar seufzte. Für einen Moment wallte Ärger in ihm hoch; aber dann kam er sich einfach lächerlich vor bei dem Gedanken, sich mit einem
Kind
streiten zu sollen.
Resignierend zuckte er mit den Achseln. »Vielleicht hast du sogar recht«, murmelte er. »Mein Name ist Skar. Ich bin...« Irgend etwas hielt ihn davon ab, das Wort
Satai
auszusprechen; zumindest in diesem Moment. Vielleicht einfach die alberne Scham, von einem Kind niedergeschlagen und um ein Haar getötet worden zu sein. »Ich war der Gast der Gesichtslosen Prediger«, fuhr er fort.
Etwas an seinen Worten schien falsch gewesen zu sein, denn er sah, wie das alte Mißtrauen sofort wieder in Syrrs Augen aufflammte. Ihre Haltung versteifte sich. Ohne daß sie es selbst merkte, rutschte sie ein Stück vor ihm zurück. Und auch ihr Bruder versteifte sich. Seine Hände glitten an seinem Gewand herab, als suchten sie eine Waffe.
»Die Gesichtslosen Prediger?« wiederholte Syrr.
Skar nickte. »Das hier ist ihr Tempel.« Er blickte Syrr und Talin abwechselnd an. »Was ist falsch daran?«
»Du lügst!« behauptete Talin. Er fuhr herum, wandte sich an seine Schwester und deutete heftig gestikulierend auf Skar. »Ich habe es dir gesagt: er lügt. Er gehört zu ihnen!«
»Zum Teufel, was soll das?« fragte Skar ärgerlich.
»Sie... sie sind fort«, murmelte Syrr. »Sie sind geflohen, Skar, schon vor Wochen.«
»Vor Wochen?« Skar schwieg einen Moment. Die Worte des Mädchens überraschten ihn nicht sonderlich. Aber sie erschreckten ihn trotzdem, denn sie enthielten eine Wahrheit, die er zwar geahnt, gegen die er sich aber bis zu diesem Moment noch gesträubt hatte.
»Vor Wochen...«, wiederholte er. »Nun, das... das kompliziert die Sache.«
»Das beweist, daß du lügst!« sagte Talin.
»So?« Skar lächelte sanft. »Meinst du? Glaubst du wirklich, ich würde mir eine so offensichtliche Lüge aus den Fingern saugen, Talin?« Er schüttelte entschieden den Kopf. »Ich verstehe es selbst nicht. Ich kam hierher, weil ich ein... nun, ein Problem hatte«, sagte er zögernd. »Ich brauchte ihre Hilfe, und sie gaben mir einen Trank. Ich habe geschlafen. Aber ich wußte nicht, daß es so lange war.«
»Ich glaube dir nicht«, beharrte Talin. In seinen Augen blitzte ein Mut, wie ihn wohl nur Kinder aufzubringen vermochten.
Skar war sicher, daß er sich auf ihn gestürzt hätte, hätte er eine Waffe besessen.
»Ich schon«, sagte Syrr. Sie schüttelte sanft den Kopf, als ihr Bruder abermals auffahren wollte. »Bitte, Talin — es spielt keine Rolle, ob er die Wahrheit sagt oder nicht. Wenn er lügt und zu ihnen gehört, sind wir sowieso verloren. Und wenn er die Wahrheit sagt, wird er uns helfen.«
Die eiskalte Logik dieses Gedankenganges überraschte Skar.
Aber er sagte nichts, denn er spürte, daß er mehr erfahren würde, wenn er einfach schwieg und das Mädchen reden ließ.
»Talin und ich stammen aus Jeda«, begann Syrr mit leiser, zitternder Stimme. »Ihr werdet es nicht kennen. Es... es ist ein kleines Dorf, drei Tagesreisen von hier. Als die Quorrl kamen, sind die meisten von uns fortgegangen, aber ein paar sind geblieben; zumeist Alte und Kranke. Und... und wir auch.«
Quorrl?
dachte Skar verwirrt.
Wovon zum Teufel sprach dieses Mädchen ?!
Laut sagte er: »Und ihr? Ihr seid weder das eine noch das andere.«
»Unsere Mutter war krank«, antwortete Syrr. »Ich blieb, um sie zu pflegen. Talin habe ich mit den anderen weggeschickt, aber er ist ausgerissen und zurückgekommen.« Sie seufzte. Wieder liefen Tränen über ihr Gesicht, aber sie weinte jetzt still, und als sie weitersprach, war ihre Stimme sogar erstaunlich klar. Eine Kälte war darin, die Skar im ersten Moment fast erschreckte — bis er begriff, daß sie sich mit äußerster Kraft beherrschte. »In der Nacht darauf kamen die Quorrl. Es war... schrecklich, Skar. Sie haben alle
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