Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter
spürte sie immer.
Dann begriff er den Fehler in diesem Gedankengang.
Bisher
hatte er die Nähe von Quorrl immer gespürt. Vor seinem langen Schlaf. Er hatte keinen Beweis, daß es noch so war.
Wütend auf sich selbst ballte Skar die Faust und sah das Mädchen an. »Wo genau?«
»Ihr Lager liegt hinter diesen Bäumen.«
»Bist du sicher?«
Syrr zögerte, blickte noch einmal aus eng zusammengepreßten Augen zu der kleinen Baumgruppe hinab, deren Äste sich unter dem Gewicht des Schnees bogen, und zuckte hilflos die Achseln. »Wenigstens war es dort, als wir in den Tempel geflohen sind«, sagte sie. Sie sah Skar zweifelnd an. Obwohl sie sich nahe waren, konnte Skar ihr Gesicht nur als verwaschenen hellen Fleck ausmachen. Aber er sah das Blitzen von Angst in ihren Augen. »Glaubst du wirklich, du könntest sie besiegen?«
Skar antwortete nicht. Er wäre sehr froh gewesen, hätte er die Antwort auf diese Frage selbst gewußt. Vier oder fünf Quorrl, dazu noch ein, vielleicht zwei Krieger- und die Hunde. Das war selbst für einen Satai ein bißchen viel, auch wenn er den Vorteil der Überraschung auf seiner Seite hatte. Und er war — sehr vorsichtig ausgedrückt — nicht unbedingt in seiner Bestform. Während er Syrr und ihrem Bruder hier herauf gefolgt war, war er ein paarmal außer Atem gekommen. Sein Rücken schmerzte, und seine Beine schienen sich in einen einzigen Krampf verwandelt zu haben. Vielleicht war es ganz gut, daß er sich Syrr und Talin gegenüber noch nicht als Satai zu erkennen gegeben hatte, dachte er finster. Wahrscheinlich hätte er sich nur lächerlich gemacht mit dieser Behauptung.
»Ich habe nicht vor, mit ihnen zu kämpfen«, sagte er schließlich. »Aber wir brauchen die Pferde.«
»Sie werden dich töten«, behauptete Syrr. »Warum warten wir nicht, bis es dunkel ist?« Sie deutete in den wolkenverhangenen Himmel. »In einer Stunde geht die Sonne unter. Mit etwas Glück können wir uns davonschleichen, ohne daß sie es auch nur merken.«
»Bis zum Morgen, ja.« Skar deutete mit säuerlichem Gesicht auf den Schnee herab, der sich wie eine weiße Decke über dem Gras ausbreitete. »Sie sehen unsere Spuren, kaum daß die Sonne aufgegangen ist. Wie lange, glaubst du, brauchen sie mit ihren Pferden, um uns einzuholen?« Er schüttelte entschieden den Kopf, als nun Talin widersprechen wollte. »Wir haben keine Chance, wenn wir zu Fuß zu fliehen versuchen. Aber die Hunde machen mir Sorgen. Was sind es für Tiere?«
»Kampfhunde«, antwortete Talin an Syrrs Stelle. »Sie töten dich, wenn sie dich erwischen, Skar. Ich habe gesehen, wie sie einen Mann aus unserem Dorf zerrissen haben. Die Quorrl haben sie auf ihn gehetzt, nur aus Spaß.« Er zog eine Grimasse, die wohl Entsetzen verdeutlichen sollte, in Wahrheit aber einfach nur al-bern aussah. »Sie haben ihm hundert Schritte Vorsprung gegeben und die Tiere dann losgelassen. Und uns haben sie gezwungen, zuzusehen.«
Skar schwieg einen Moment, dann erhob er sich wortlos ein wenig weiter hinter dem Felsbrocken, hinter dem sie Deckung gesucht hatten, und hielt das Gesicht in den Wind, um seine Richtung zu prüfen. Ihre Glückssträhne schien zu Ende zu sein —der Wind kam von Osten, und das bedeutete, daß er einen großen Bogen schlagen und sich dem Lager von der entgegengesetzten Richtung her nähern mußte, um von den Hunden nicht gewittert zu werden. Selbst wenn alles gut ging, würde es dunkel sein, bis er zurück war.
Seufzend ließ er sich wieder auf Hände und Knie herabsinken, drehte sich herum und blickte zum Tempeleingang zurück.
Selbst jetzt, wo er genau wußte, wonach er zu suchen hatte, fiel es ihm schwer, ihn auszumachen: es war nicht mehr als ein kaum mannsbreiter, schräger Riß in der Flanke des Berges, noch dazu so geschickt durch Felsen und genau berechnete Schatten getarnt, daß ein Ortsfremder auf Armeslänge daran vorübergehen konnte, ohne ihn auch nur zu sehen.
Für einen winzigen Moment glaubte er eine Bewegung in den Schatten wahrzunehmen. Sein Herz machte einen schmerzhaften Sprung. Irgend etwas stand dort, etwas Kleines und Lauerndes und...
Dann wiederholte sich das Blitzen, und Skar sah, daß es nur ein Sonnenstrahl gewesen war, der sich auf vereistem Fels brach. Er unterdrückte ein erleichtertes Lächeln und schalt sich in Gedanken einen Narren. Der Tempel war so leer, wie er nur sein konnte. Er hatte genau auf Spuren geachtet, während er Talin und seiner Schwester nach oben gefolgt war. Dort war
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