Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter
Niemand
-niemand-
würde es wagen, den heiligen Stern der Satai nachzuahmen. Und ein Straßenräuber, der sich mit dem Zeichen eines toten Satai schmückte? Ebensogut konnte er sich gleich selbst die Kehle durchschneiden — jeder Satai Enwors hätte ihn gejagt bis ans Ende der Welt und darüber hinaus.
Aber wenn der Mann wirklich Satai war...
Skar spürte ein Gefühl schrecklicher Hysterie in sich emporkriechen. War das überhaupt noch Enwor? War das noch die Welt, die er kannte? War er... ja — war er überhaupt
erwacht?
Für einen Moment erwog er diese Möglichkeit allen Ernstes: nämlich die, daß er in Wahrheit noch schlief, daß all dies nichts als ein entsetzlicher Alptraum war, in den ihn der Trank der Gesichtslosen Prediger hineingezwungen hatte, und aus dem er nicht erwachen konnte.
Aber dann spürte er die Kälte, die seinen Oberschenkel emporkroch, den dumpfen Schmerz, der noch immer in seinem Gesicht wühlte, das Hämmern seines Herzens... wenn es ein Traum war, dann war es der realistischste, den er jemals geträumt hatte.
Und es gab nur eine Möglichkeit, es herauszufinden...
Skar gab jede Vorsicht auf, ging weiter und trat mit einem entschlossenen Schritt aus den Schatten des Waldes hervor. Er wußte jetzt, daß ein Anschleichen unmöglich war. Der Satai änderte alles.
Die Reaktion der um das Feuer sitzenden Schatten bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. Die drei Quorrl sprangen erschrocken hoch und griffen nach ihren Waffen; eine der plumpen Gestalten verlor gar auf dem schlüpferigen Boden das Gleichgewicht und wäre um ein Haar rücklings ins Feuer gestürzt. Nur der Mann mit dem Stirnband der Satai blieb reglos und scheinbar unbeeindruckt sitzen. Er hob nicht einmal den Blick, aber auf seinen Lippen erschien ein dünnes, nicht sehr humorvolles Lächeln. Seine rechte Hand lag scheinbar gelöst in der Nähe des Schwertgriffes, der unter seinem Fellmantel hervorlugte.
Skar begriff, daß er seine Schritte schon lange gehört hatte, bevor er aus den Schatten heraustrat. Er
war
ein Satai!
Zwei der drei Quorrl sprangen mit erhobenen Waffen auf ihn zu, und in der Dunkelheit bei den Pferden bewegte sich ein weiterer Schatten. Ein dumpfes, kehliges Knurren erklang. Metall klirrte.
Skar wehrte sich nicht, als die beiden Quorrl ihn packten und grob auf die Knie stießen. Eine Schwertklinge berührte seinen Hals. Skar spürte einen leichten, brennenden Schmerz, dann lief warmes Blut an seiner Kehle herunter. Er unterdrückte den Impuls, sich zu wehren.
»Laßt ihn!«
Die Stimme des Satai war nicht sehr laut, aber von schneidender Schärfe. Der Quorrl, der seinen Arm gepackt und auf den Rücken gedreht hatte, ließ seine Hand los. Aber das Schwert blieb, wo es war, und der Quorrl drückte mit unbarmherziger Kraft zu. Skar bog den Kopf so weit in den Nacken, wie er nur konnte, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, aber die Schneide folgte der Bewegung und ritzte seine Haut abermals.
»Tötet mich... nicht!« stöhnte er. »Bitte!«
Die unnatürliche Haltung, zu der ihn die Waffe zwang, ließ seine Stimme verzerrt klingen. Er hoffte zumindest, daß die Quorrl den Ton darin für Angst hielten.
Tatsächlich nahm der Druck der tödlichen Waffe um eine Winzigkeit ab; nicht genug, ihn etwa auf Gedanken an Widerstand oder Flucht kommen zu lassen, aber doch so weit, daß er zumindest wieder atmen konnte.
»Wer bist du, Kerl?« fauchte eine gutturale Stimme. »Was schleichst du hier herum?«
Skar antwortete nicht, sondern starrte den Quorrl nur aus weit aufgerissenen Augen an, der sich über ihn gebeugt hatte. Es war ein Riese, selbst für einen Quorrl — gute zweieinhalb Meter groß und mit Schultern, die den pelzgefütterten Mantel zu sprengen schienen, unter dem sie verborgen waren. Seine Augen waren klein und kalt und starr wie die von Fischen, und als er sprach, blitzte hinter seinen nur angedeuteten Lippen ein Gebiß, das einen Haifisch vor Neid hätte erbleichen lassen. Er unterstrich seine Worte mit einem ärgerlichen Ruck am Schwertgriff. An Skars Hals erschien ein dritter, blutender Schnitt.
»Laß ihn, Trash.« Der Mann mit dem Stirnband der Satai stand auf, kam mit zwei schnellen Schritten um das Feuer herum und drückte den Arm des Quorrl beiseite. Aufmerksam sah er Skar an. Er lächelte, aber seine Augen blieben dabei kalt wie die des Quorrl. Vielleicht noch kälter.
Skar richtete sich vorsichtig auf, hob die Hand und tastete mit spitzen Fingern über die blutigen Schnitte an
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