Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter
Stelle, an der der Schädel ins Rückgrat überging. Ein scharfer Schmerz schoß durch seinen Arm, und ein häßliches Knirschen erklang, ein Laut wie das Brechen eines sehr dicken Astes. Der Leib des Hundes zuckte wie in einem Krampf. Urin und Kot liefen an Skars Beinen herab. Schrille, wimmernde Laute drangen aus dem Maul der Bestie.
Aber sie lebte immer noch.
Halb wahnsinnig vor Schmerz schleppte sich der Hund ein Stück davon, biß in blinder Raserei in die Luft und versuchte sich aufzurichten. Es ging nicht. Sein verstümmelter Hinterlauf knickte ein. Blut ließ den Schnee zu klumpigem Rot erstarren, und das Jaulen des Hundes steigerte sich noch mehr. Er wälzte sich herum, kroch, sein Körpergewicht nur mit den Vorderpfoten ziehend, auf Skar los und schnappte immer wieder zu. Sein Kopf pendelte haltlos hin und her, aber er lebte noch. Er würde sterben, aber Skar wußte, daß er ihn vorher erreichen und töten würde.
Irgendwoher nahm Skar noch die Kraft, zur Seite zu greifen und sein Schwert aufzunehmen. Aber die Klinge schien plötzlich Tonnen zu wiegen. Er hatte kaum mehr die Energie, sie zu heben. Ungeschickt stocherte er nach dem Hund, fügte ihm einen weiteren, klaffenden Riß in der Schnauze zu und spürte, wie ihm die Waffe aus der Hand geschlagen wurde. Der Hund kam näher. Seine Kiefer schnappten zu, öffneten sich wieder, schnappten wieder zu. Noch zwei- oder dreimal, und sie würden sich um seine Kehle schließen.
Skar hatte nicht mehr die Kraft, vor ihm davonzukriechen. Irgendwo, weit am Rande seines schon halb erloschenen Bewußtseins, erklang ein schriller Schrei, dann Schritte, die hastig näherkamen. Trash, dachte er müde, der zurückgekommen war, um ein Ende zu machen.
Aber es war nicht der Quorrl.
Skar sah einen Schatten, der zu klein für den eines Quorrl, selbst zu klein für den eines erwachsenen Mannes war, dann erscholl ein abermaliger Schrei, voller Wut und Haß diesmal, und plötzlich zischte etwas durch die Luft, bohrte sich in die Flanke des Hundes und erstickte sein wütendes Jaulen.
Skar versuchte sich aufzurichten, aber die Bewegung war zu viel. Einen halben Meter neben dem Tier brach er zusammen, krümmte sich im Schnee und versuchte, die Bewußtlosigkeit zurückzudrängen, die wie eine schwarze Hand nach seinen Gedanken griff. Er hörte Talin schreien, dann sah er, als arbeiteten seine Sinne nicht mehr richtig und zeigten ihm nur noch kleine, auf das Wesentliche reduzierte Ausschnitte der Welt, den Schädel des Hundes, eine Maske aus Blut und Haß, in deren Augen gegen jede Logik noch immer Leben war.
Sein Gesicht sank kraftlos in den Schnee. Mühsam versuchte er den Kopf zu drehen, um nicht zu ersticken, aber selbst diese kleine Anstrengung überstieg seine Kräfte. Er sah, wie Talin heranstürmte, absurd langsam dem Speer folgend, den seine Schwester geschleudert hatte, und etwas zog sich krampfhaft in ihm zusammen, als er sah, wie der Junge sich mit einem wütenden Kreischen auf den Hund warf, mit beiden Händen den Speer umklammerte und ihn tiefer in seinen Leib hineinstieß. Der Hund jaulte, schnappte hilflos und jetzt schon ohne Kraft in die leere Luft und erschlaffte endgültig. Das Feuer in seinen Augen erlosch.
Aber Talin hörte nicht auf. Immer wieder warf er sich mit seinem ganzen Körpergewicht gegen den Speer, riß und zerrte mit aller Macht an der Waffe und schrie dabei wie unter Schmerzen. Gleichzeitig trat er den Hund. Sein Gesicht war vor Haß zu einer Grimasse geworden, vor der selbst Skar erschrak. Er schien in einer Art Blutrausch zu sein, ein völlig sinn- und zielloses Toben, das nicht nachließ, sondern im Gegenteil immer schlimmer wurde.
»Talin! Hör auf!«
Syrrs Stimme war so scharf, daß sie selbst den Nebel der heraufdämmernden Bewußtlosigkeit durchdrang, der sich über Skars Gedanken ausbreitete. Das Mädchen trat auf ihn zu. Einen Moment lang blieb sie halb vorgebeugt über ihm stehen, dann, als sie sah, daß seine Augen offen waren und er noch lebte, fuhr sie herum, packte ihren Bruder bei den Schultern und riß ihn unnötig grob vom Kadaver des Hundes fort. Skar sah, daß sie all ihre Kraft aufwenden mußte, um seine Hände vom Schaft des Speeres zu lösen.
»Hör auf!«
schrie sie noch einmal. Talin versuchte, ihre Hände beiseite zu schlagen und sich sofort wieder auf den Hund zu stürzen. Syrr packte ihn mit der linken Hand an der Schulter, zerrte ihn grob herum und ohrfeigte ihn. Talins Wutschreie wurden zu einem schluchzenden
Weitere Kostenlose Bücher