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Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter

Titel: Enwor 6 - Die Rückkehr der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ließ sich zur Seite fallen und kroch mit zusammengebissenen Zähnen auf den toten Satai zu, der den Pferden näher war als der Hund.
    Skar brauchte fast eine Viertelstunde, die knapp zwanzig Schritte zurückzulegen, und mehr als einmal während dieser Zeit war er nahe daran, einfach aufzugeben. Es war zuviel; selbst für einen Mann wie ihn. Er war zu Tode erschöpft, vermutlich sehr viel schwerer verletzt, als er sich selbst eingestehen wollte, und der endlose Schlaf hatte ihn fast aller Kräfte beraubt. Der Mantel drückte wie eine Zentnerlast auf seine Schultern, und der Schmerz in seinem Knöchel breitete sich aus und ergriff bald das ganze Bein; er konnte direkt spüren, wie es steif wurde. Dazu kam die Kälte. Der frisch gefallene Schnee war über Nacht gefroren, aber nur in einer dünnen Schicht, die wie brüchiges Glas unter seinem Körpergewicht nachgab, so daß er immer wieder in die eiskalte flockige Masse darunter einsank; und unter dem Schnee verbargen sich spitze Steine und stechende Äste. Skars Hände waren blutig, als er den Toten erreichte. Er fragte sich, ob er noch die Kraft haben würde, die Fesseln der Pferde zu lösen und sich in den Sattel zu ziehen.
    Die Augen des Satai standen offen, und in seinem Blick war das ungläubige Entsetzen eingefroren, das er verspürt haben mußte, als er starb — er, der Satai, der Unbesiegbare, der vielleicht im allerletzten Moment begriffen hatte, wem er wirklich gegenüberstand.
    Skar verspürte... Trauer.
    Dieser Mann war sein Feind gewesen, und er hatte sich letztendlich selbst zum Tode verurteilt mit dem, was er tat. Skar hatte ihn töten
müssen,
den heiligen Gelübden seines Clans zufolge. Aber es waren die gleichen Gelübde gewesen, die auch dieser Mann irgendwann einmal geschworen hatte- Leben zu schützen und für die Gerechtigkeit zu kämpfen, und wenn es sein eigenes Leben kostete. Er hatte sie gebrochen, und er hatte die Strafe gekannt, die darauf stand. Trotzdem spürte Skar weder Triumph noch Haß auf diesen Mann. Trotz allem war er sein Bruder gewesen, ein Satai wie er, der irgendwann einmal für die gleichen Ziele gekämpft und die gleichen Eide geschworen hatte.
    Plötzlich scheute Skar vor dem Gedanken zurück, den Toten auszuplündern, wie er es ursprünglich vorgehabt hatte — er wäre sich wie ein Leichenfledderer vorgekommen, die Kleider seines erschlagenen Bruders zu nehmen. Er wußte, daß dieser Gedanke albern war — er würde schlicht und einfach erfrieren, halbnackt, wie er war, aber als er die Hand ausstreckte, um den Toten herumzudrehen und ihn seines Mantels und Wamses zu berauben, konnte er es nicht.
    Statt dessen beugte er sich fast behutsam vor, löste das schmale Stirnband mit dem fünfzackigen Stern der Satai und legte es neben sich in den Schnee. Dann schloß er die Augen des Toten, versuchte seine Hände auf der Brust zu falten und hätte am liebsten aufgeschrien, als er begriff, daß es nicht mehr ging. Kälte und Totenstarre hatten die Glieder des Satai steif wie Holz werden lassen.
    Einen Moment lang überlegte Skar, ihn zu verbrennen — im Feuer war noch Glut, und mit etwas Glück konnte er die Flammen noch einmal zum Leben erwecken. Aber dann wurde ihm klar, daß er Stunden dazu brauchen würde, halb verkrüppelt, wie er war, und wahrscheinlich nicht einmal mehr die nötige Kraft hatte. Der Gedanke, den Toten wie ein Stück Aas zurückzulassen, damit ihn die Wölfe fraßen, erfüllte ihn mit einer Mischung aus Entsetzen und Wut — aber er hatte keine andere Wahl.
    Und da war noch Trash. Er war entkommen, und wenn er Skar nicht den Gefallen getan hatte, unterwegs vom Pferd zu fallen und sich den Hals zu brechen, war er jetzt wahrscheinlich schon wieder auf dem Weg hierher — zusammen mit einer Bande mordlüsterner Quorrl, denen der Sinn danach stand, einen Satai zu töten.
    Nein — er mußte hier weg. Sofort.
    Er wußte nicht wie, und er wußte nicht, wie lange es dauerte, aber irgendwann nach einer Ewigkeit, in der er nur Schmerz und Erschöpfung gespürt hatte — und irgendwo, tief verborgen in seinem Inneren, den eisernen Willen, nicht aufzugeben — fand er sich halb bewußtlos im Sattel des größeren der beiden Pferde sitzend wieder, die Hände um das hartgewordene Leder des Zaumzeugs gekrampft, den linken Fuß im Steigbügel, das verletzte, steif gewordene rechte Bein in fast absurdem Winkel abgespreizt.
    Mühsam zwang er das Tier herum, ritt zu dem toten Hund zurück und zog den Speer aus seinem

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