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Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Enwor 8 - Der flüsternde Turm

Titel: Enwor 8 - Der flüsternde Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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so tief, daß sie schwarze Schluchten in die Ebene zu brennen schienen, aber die Luft war trotzdem erstaunlich klar. Obwohl sie an die dreißig Meilen zurückgelegt haben mußten, konnte Skar das Meer sehen: ein dünner, fast übertrieben blauer Strich dicht vor dem Horizont, wie eine Trennlinie, die ein Maler zwischen Himmel und Erde gezogen hatte. Skar war sicher, daß er sich den klobigen schwarzen Schatten darauf nur einbildete; sie waren viel zu weit von der Küste entfernt, um den Dronte wirklich sehen zu können. Aber er wußte, daß er da war. Von irgendwelchen Verfolgern war keine Spur.
    Titch deutete schweigend in den Himmel, und als Skar der Bewegung folgte, sah er einen winzigen, dreieckigen Schatten, dann, ein Stück tiefer und mehr zur Küste hin, einen zweiten und dritten. Daktylen.
    »Warum stellst du keine Fragen?« sagte er, ohne Titch anzusehen.
    Der riesige Quorrl zuckte mit den Schultern. »Wozu?« sagte er. »Du hast gesehen, was passiert ist. Du warst dabei«, fügte er nach sekundenlangem Zögern hinzu.
    »Das meine ich nicht«, antwortete Skar. »Du hast kein Wort gesprochen, seit wir geflohen sind. Du...«
    »Was nutzen Fragen, wenn man die Antworten mit ins Grab nimmt?« unterbrach ihn Titch. »Wir haben dir und dem Mädchen das Leben gerettet, oder?«
    »Ja und die meisten deiner Leute sind dabei getötet worden«, sagte Skar.
    »Krieger sind zum Sterben da.«
    Skar verzog geringschätzig die Lippen. Noch vor zwei Wochen hätte er dem Quorrl diese Antwort sogar geglaubt; schon weil es damals wirklich das gewesen war, was Titch empfand. Aber seither war viel geschehen. Titch war schon lange kein Quorrl mehr. In seinem Inneren hatte eine Veränderung begon-nen, die den Quorrl von allen vielleicht am meisten selbst verwirrte.
    »Das stimmt doch nicht«, sagte Skar sanft. »Du...«
    »Du«, unterbrach ihn Titch betont, »und das Mädchen — ihr müßt leben. Wenn du das bist, wofür ich dich halte, Satai, dann war euer Leben das Opfer wert.«
    »Wofür hältst du mich denn?« fragte Skar.
    Titch antwortete nicht, und nach einer Weile drehte sich Skar einfach um und ging zu Kiina zurück.
    Die Quorrl hatten den schmalen Felsspalt in eine kleine, aber fast uneinnehmbare Festung verwandelt — für einen normalen Gegner. Wie lange er einem Angriff zu allem entschlossener
Errish
standhalten würde, wagte er nicht zu prophezeien. Titch offensichtlich auch nicht, seinen Worten von eben nach zu schließen.
    Skar verscheuchte den Gedanken und kniete neben Kiina nieder. Er erschrak erneut, als er in ihr Gesicht sah. Das Mädchen hatte hohes Fieber. Sie war bei Bewußtsein, aber ihre Augen waren verschleiert. Ein Teil ihres Haares war grau geworden. Skar wollte etwas sagen, aber der Anblick schnürte ihm die Kehle zu. Kiina starb, nicht irgendwann, sondern hier und jetzt, und er war hilflos. Es gab nichts, was er für sie tun konnte. Die einzigen Menschen, die ihr vielleicht hätten helfen können, waren vor sechs Stunden verbrannt.
    »Was hat sie?«
    Skar sah auf, machte eine angedeutete Geste zu Titch, ruhig zu sein, und entfernte sich ein paar Schritte. »Der Staub«, sagte er. »Staub?«
    Skar sah den Quorrl einen Moment lang überrascht an, ehe er begriff, daß Titch ja von alledem nichts wußte. Als er Skar das letzte Mal gesehen hatte, waren er und Kiina gesund und munter auf die Rücken zweier Daktylen gestiegen.
    »Dasselbe, was die
Errish
in Elay umgebracht hat«, antwortete er. »Sie hat es auch.«
    »Und du ebenfalls«, vermutete Titch.
    Skar nickte und zuckte gleichzeitig mit den Schultern. »Vielleicht«, sagte er. »Selbst Yul war nicht sicher. Aber ich glaube, ja.« »Erzähl mir davon«, verlangte Titch.
    Skar zögerte. Warum fragte Titch danach? Es gab hundert Fragen, die wichtiger waren, die dem Quorrl geradezu auf der Zunge brennen mußten. Wenn er sie nicht stellte, dann gab es dafür eigentlich nur zwei Erklärungen: Er hatte Angst vor Skars Antworten — oder er kannte sie bereits.
    »Es war der Staub, der die
Errish
in Elay getötet hat«, wiederholte er. »Grauer Staub, der mit dem Wind kam...« Er erzählte Titch das wenige, was er von der
Margoi
erfahren hatte, und später von Yul. Titch hörte schweigend zu, aber Skar entging nicht der nachdenkliche Ausdruck, der mit einem Male in seinem Blick erschien. Doch der Quorrl sagte kein Wort, auch dann nicht, als er mit seinem knappen Bericht zu Ende gekommen war.
    Skar wartete lange Zeit vergeblich, daß Titch das quälend

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