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Enwor 9 - Das vergessene Heer

Enwor 9 - Das vergessene Heer

Titel: Enwor 9 - Das vergessene Heer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Waffen klirrten, und eine weitere schuppengepanzerte Gestalt erschien unter der Tür.
    Wahrscheinlich war es das Auftauchen dieses zweiten Quorrl, das Skar das Leben rettete, denn der Reptilienkrieger rief seinem Kameraden etwas zu, woraufhin dieser mitten in der Bewegung innehielt und sich zu ihm herumdrehte, um ihm zu antworten.
    Und so kurz diese Frist war, sie reichte.
    Es war, als rastete irgendwo tief in Skar etwas mit einem spürbaren Ruck ein, und plötzlich war die Kraft da, die er all die Zeit über so schmerzlich vermißt hatte. Die unsichtbaren Tonnengewichte an seinen Gliedern waren fort, der grausame Schmerz in seinem Rücken erlosch, nicht abgeschaltet, aber in einem Winkel seiner Wahrnehmungen zurückgedrängt, in dem er ihn nicht mehr behinderte. Von einer Sekunde auf die andere war Skar nur noch Satai.
    Mit einem Ruck stemmte er sich in die Höhe und hob die Hände; die linke zur Faust geballt und gegen die Hüfte gepreßt, die andere lose und halb geöffnet vor der Brust kreisend. Jeder Muskel in seinem Körper war bis zum Zerreißen angespannt.
    Der Quorrl registrierte die Bewegung und griff übergangslos wieder an, aber Skar reagierte plötzlich mit einer Schnelligkeit, die er nicht erwartet hatte. Der Quorrl schlug nach seinem Gesicht, aber Skar drehte blitzschnell den Kopf zur Seite, so daß seine Faust gegen die Wand krachte. Der Quorrl schrie vor Schmerz, und Skar gewann einen weiteren, kostbaren Sekundenbruchteil. Seine Handkante traf den Kehlkopf des Quorrl mit aller Macht; ein Hieb, der einen Menschen auf der Stelle getötet hätte und selbst diesen Giganten aufstöhnen ließ.
    Er beging nicht den Fehler, den Quorrl wirklich angreifen zu wollen. Der Schuppenkrieger wog mindestens doppelt so viel wie er und bestand nur aus Muskeln und stahlharten Panzerplatten. Selbst wenn Skar bewaffnet gewesen wäre, wäre der Ausgang dieses Kampfes höchst ungewiß gewesen. Aber er hatte seinen Gegner erschüttert und damit die winzige Frist gewonnen, die er brauchte. Skar tauchte blitzschnell unter den Armen des Quorrl hindurch, brachte zwei, drei Schritte Distanz zwischen sich und seinen riesenhaften Gegner und fuhr herum.
    Der Quorrl stand noch immer neben dem Fenster und preßte seine Hand gegen die Kehle. Er atmete röchelnd. Blut lief über seine Schuppenhaut. Seine Hand mußte gebrochen sein, und das Atmen bereitete ihm sichtliche Mühe. Der zweite Quorrl war unter der Tür stehengeblieben und rührte sich nicht, nur sein Blick folgte mißtrauisch jeder Bewegung Skars. Wenn sie ihn gemeinsam angriffen, dachte er, dann war er verloren.
    Aber das geschah nicht. Nach einer Sekunde drehte sich der zweite Quorrl wortlos herum und verschwand wieder auf dem Gang, offensichtlich vollkommen davon überzeugt, daß sein Kamerad allein mit Skar fertig werden würde.
    Skar teilte diese Überzeugung sogar. Er hatte mehr als einmal gegen Quorrl gekämpft, und er hatte mehr als einen von ihnen getötet, aber da war er bewaffnet gewesen oder hatte zumindest
Platz
gehabt, um den einzigen Vorteil auszuspielen, den ein Mensch einem Quorrl gegenüber hatte: seine Schnelligkeit. Jetzt hatte er nichts als seine leeren Hände und ein Zimmer, das zwar groß war, aber nicht groß genug, um seinem Gegner davonzulaufen. Und selbst wenn es ihm gelang: draußen auf dem Gang wartete mindestens ein weiterer Quorrl auf ihn; dem Lärm nach zu schließen, den er hörte, sogar mehrere.
    Skar hatte keine Angst. Dazu war er viel zu angespannt, sowohl körperlich als auch geistig. Sein Blick glitt über die riesige Gestalt des Quorrl, suchte nach einer Blöße, einem noch so winzigen Anzeichen von Schwäche oder Unaufmerksamkeit und fand keines. »Was soll das?« fragte er, nur um Zeit zu gewinnen. »Wieso greift ihr mich an? Ich gehöre zu euch!«
    Der Quorrl antwortete nicht. Skar bezweifelte sogar, daß er seine Worte überhaupt verstanden hatte; vielleicht nicht einmal gehört. Der Quorrl war… nicht normal, dachte Skar alarmiert. Nicht im Sinne von verrückt, sondern… verändert. Was ihm gegenüberstand, war kein denkendes Wesen mehr. Die Wildheit in den Augen des Quorrl war die einer reißenden Bestie. Der Quorrl schien nur noch aus Haß zu bestehen. Sie sind Tiere, hatte Ennart gesagt.
    Mit wiegenden, vorsichtigen Schritten kam der Quorrl näher.
    Er bewegte sich langsam, aber jeder Muskel in seinem gewaltigen Körper war angespannt, und seine Augen waren trotz der lodernden Mordlust darin hellwach und erschreckend klar.

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