Enwor 9 - Das vergessene Heer
dagegen!« sagte Skar beschwörend. »Du kannst es.
Es ist dieser verdammte Turm, Titch. Die gleiche Macht, die mich zwingen wollte, dich zu töten! Ich habe sie besiegt, und du kannst es auch!«
Der Quorrl krümmte sich wie unter Schlägen. Sein ganzer Körper bebte, und seine Augen schienen aus den Höhlen zu quellen, als er Skar ansah. Speichel quoll über seine Lippen und vermischte sich mit dem Blut auf seinem Kinn. Er sah nun wirklich aus wie ein Ungeheuer; ein Raubtier, das soeben sein Opfer gerissen hatte.
»Kämpfe dagegen an!« sagte Skar noch einmal. »Du kannst es. Wenn ich es gekonnt habe, dann kannst du es auch.
Titch!«
Titch schrie wie unter Schmerzen, bäumte sich auf — und löschte Skars Bewußtsein mit einem einzigen, furchtbaren Fausthieb aus.
E s war alles vorbei, als er erwachte. Der Turm war wieder vom wispernden Pulsschlag seines metallenen Herzens erfüllt, und in seinem Kopf war wieder das graue Gespinst, das einen kleinen, aber ungemein wichtigen Teil seines Gedächtnisses verhüllte.
Aber es gab einen Unterschied, und der war immens: er
wußte
jetzt, daß es da war. Er wußte, daß es Fragen gab und die dazu passenden Antworten, und daß er beides kannte. Das Wissen war da, verborgen, aber da. Irgendwie würde es ihm gelingen, es zutage zu fördern.
Skar öffnete behutsam die Augen und blinzelte in das grelle, schattenlose Licht des Turmes. Gestalten bewegten sich um ihn herum, redeten miteinander und taten etwas mit ihm. Sein Kopf tat ein wenig weh — nicht sehr, gerade genug, ihn daran zu erinnern,
warum
er das Bewußtsein verloren hatte — und in seinem Mund war der Geschmack von Blut. Vorsichtig versuchte er sich aufzusetzen und stellte zu seiner eigenen Überraschung fest, daß es leichter ging, als er erwartet hatte.
In seiner linken Armbeuge war ein dünner, stechender Schmerz. Skar sah an sich herab und gewahrte einen durchsichtigen, biegsamen Schlauch, der sich über seinen Arm ringelte und in einer dünnen Nadel endete, die in seiner Vene stak. Angewidert riß er beides ab und warf es zu Boden. Die Belohnung waren ein weitaus heftigerer, brennender Schmerz in seinem Arm und ein unwilliger Ausruf einer der Gestalten, die mit ihm im Zimmer waren. Skar sah auf und blickte in ein Gesicht, das er im ersten Moment für das Ians hielt, bis ihm auffiel, daß es älter war und die Augen darin nicht so voller Haß und Zorn wie die Ians.
»Was tust du da?« herrschte ihn der Zauberpriester an. »Wie zum Teufel sollen wir…«
»Laß ihn, Cal«, unterbrach ihn eine Stimme. »Es ist gut. Ich mache das schon.«
Obwohl er die Stimme erkannt hatte, war er ein wenig überrascht, Anschi zu sehen. Mit einem Lächeln trat sie neben den Zauberpriester und machte eine rasche, besänftigende Bewegung. »Bitte laß uns allein.«
Cal zögerte. Aus irgendeinem Grund schien er Respekt vor Anschi zu empfinden, aber zugleich maß er Skar mit einem Blick, der ihm klarmachte, daß er ihn für gefährlich hielt und daß ihm der Gedanke nicht gefiel, die
Errish
mit ihm allein zu lassen.
Aber schließlich zuckte er nur mit den Schultern und verließ den Raum.
»Bleib sitzen«, sagte Anschi, als Skar sich erheben wollte. Sie drehte sich zu einem kleinen Tischchen um, nahm eine blitzende Schale aus Metall und einige saubere Tücher an sich und kam auf ihn zu. Mit einem schnellen, harten Griff nahm sie seine linke Hand, drehte sie so herum, daß sie seine Armbeuge sehen konnte, und runzelte mißbilligend die Stirn. Wo die dünne Nadel gesessen hatte, quoll ein einziger Blutstropfen aus Skars Haut.
Es tat sehr weh.
Was Anschi anschließend mit ihm tat, auch. Sie tupfte das Blut von seinem Arm, träufelte einige Tropfen einer farblosen, durchdringend riechenden Flüssigkeit auf seine Haut, die im ersten Moment wohltuend kühlten, dann aber wie Säure brannten, und legte ihm abschließend einen dünnen Verband an, der es ihm fast unmöglich machte, den Arm zu krümmen. Dann stand sie auf, betastete mit geübten Bewegungen seinen Rücken und murmelte ein paar Worte, die er nicht verstand und die vermutlich auch nicht ihm galten. Ihre Berührung fachte den Schmerz in seinem Rücken zu neuer Wut an, statt ihn zu mildern, aber Skar ließ alles mit zusammengebissenen Zähnen und ohne einen Laut über sich ergehen. Sie hatte ihm schon einmal bewiesen, daß sie vielleicht nicht besonders zartfühlend, aber nichtsdestotrotz eine gute Heilerin war.
Als sie fertig war, trat sie einen Schritt zurück und
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