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Enwor 9 - Das vergessene Heer

Enwor 9 - Das vergessene Heer

Titel: Enwor 9 - Das vergessene Heer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Böschung erstiegen hatte, blieb er ganz stehen. Der Kopf auf dem langen schlangenartigen Hals bewegte sich verwirrt hin und her, und schließlich machte die Riesenechse kehrt und trottete zu ihren Artgenossen zurück. Anfangs hatte Skar geglaubt, daß es dort unten so etwas wie eine unsichtbare Mauer geben müsse, aber je länger er das Verhalten der Tiere beobachtete, desto mehr gelangte er zu der Überzeugung, daß es etwas anderes war. Vor dem Ausgang der Felsenschlucht
war
etwas, aber es war kein faßbarer Widerstand. Die Tiere benahmen sich, als lösche etwas ihren Willen aus, das Tal überhaupt zu verlassen.
    Skar hatte dieser Beobachtung anfangs kaum Bedeutung zugemessen. Sie war nichts gegen all die anderen Wunder, die er in den letzten beiden Tagen erlebt hatte. Aber je länger er die Drachen beobachtete, desto wichtiger erschienen sie ihm. Es mußte einen Grund dafür gegeben haben, daß sie die Drachen zusammengetrieben und in dieses Tal gesperrt hatten. Sie hatten bewiesen, daß sie in der Lage waren, das geistige Band zwischen Drachen und
Errish
zu unterbrechen und selbst diese gigantischen Tiere unter ihren Willen zu zwingen. Wenn sie es nicht taten, sondern den Großteil der Drachen einsperrten, dann bedeutete das, daß auch ihrer Macht Grenzen gesetzt waren. Und dieser Gedanke beruhigte Skar.
    Er glaubte nicht, daß ihm dies in irgendeiner Form helfen würde. Er hatte verloren, endgültig und total. Selbst die Stimme seines Dunklen Bruders schwieg. Der
Daij-Djan,
so schien es, war fort, ebenso ausgesperrt wie das Flüstern in seinen Träumen, das ihn fast in den Wahnsinn getrieben hatte. Der Turm mochte die Quelle des bösen Flüsterns sein, aber er schien seine Bewohner auch gleichzeitig davor zu schützen.
    Er wollte sich schon umdrehen und auf sein Zimmer zurückgehen, als ihm eine Bewegung über dem nördlichen Rand des Tales auffiel; ein rasches Flattern hoch oben in der Luft, das nach Augenblicken zu einem Schatten wurde, der sich nach wenigen weiteren Sekunden wieder teilte, bis Skar einen Trupp von insgesamt sechs Daktylen erkennen konnte, die sich in direkter Linie und sehr schnellem Flug auf den Turm zubewegten. Anschi und ihre Mädchen, die von ihrer täglichen Patrouille zurückkehrten. Skar hatte sie gestern beobachtet, und den Tag zuvor. Sie flogen immer zur gleichen Zeit fort und kehrten erst spät am Nachmittag zurück. Er fragte sich, was sie suchten, jetzt, wo Titch und er in der Gewalt der Zauberpriester waren.
    Die Daktylen kamen rasch näher, und Skar konnte jetzt die schlanken, in bestickte schwarze Mäntel gehüllten Gestalten auf ihren Rücken erkennen. Reglos blieb er auf dem kleinen Balkon stehen, bis die riesigen Flugechsen in kleiner werdenden Spiralen in den Hof der Festung hinabtauchten und damit aus seinem Blickwinkel verschwanden, dann drehte er sich um und ging in sein Zimmer zurück. Er merkte erst jetzt, wie kalt es draußen gewesen war, und auf seinen nackten Oberarmen erschien nachträglich eine Gänsehaut, obgleich hier drinnen eine behagliche Temperatur herrschte. Ein weiteres Wunder dieses Alptraumturmes: ganz gleich, wie kalt es draußen war, es war immer warm hier drinnen, obwohl nirgendwo ein Feuer brannte. Es war auch immer hell, obwohl es keine Fackeln oder sonstige Lichtquellen gab. Die Luft selbst schien in einem milden, gelben Licht zu strahlen.
    Etwas geschah.
    Skar konnte nicht sagen, was. Er sah nichts, hörte nichts, fühlte nichts… und doch: für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er, eine Erschütterung zu spüren, etwas wie ein Wanken des Bodens unter seinen Füßen, ohne daß er sich auch nur um den Bruchteil eines Millimeters bewegte. Es war wie… ein Beben, nicht der Dinge, sondern der Realität. Als wären zwei Welten aufeinandergeprallt, hätten sich für einen unendlich kurzen Moment berührt und glitten nun wieder auseinander.
    Skar taumelte. Für die Dauer eines Atemzuges wurde ihm schwindlig, und plötzlich war es ihm, als würde ein unsichtbarer Schleier von seinen Gedanken gehoben, eine erstickende Decke, die die ganze Zeit über dagewesen war, ohne daß er sie auch nur bemerkt hatte.
    Verwirrt hob er die Hände ans Gesicht, fuhr sich über die Augen und sah sich um. Nichts hatte sich verändert. Der Raum war so kalt und unwohnlich wie immer, jeder Gegenstand an seinem Platz, und doch…
    Es war, als sähe er ihn das erste Mal.
    Das erste Mal so, wie er wirklich war.
    Draußen auf dem Gang polterte etwas, und aus dem Hof klang das

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