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Enwor 9 - Das vergessene Heer

Enwor 9 - Das vergessene Heer

Titel: Enwor 9 - Das vergessene Heer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sich in der Mitte des kuppelförmigen Raumes erhob. Auf der Oberseite dieses sonderbaren Altarsteines stand ein Zylinder aus Metall, aus dem ein schwaches, düsterrotes Glühen drang. Skar hatte den flüchtigen Eindruck von Bewegung, die sich seinem Blick auf unheimliche Weise immer wieder zu entziehen schien.
    Er zögerte. Sein Blick glitt über die Wände aus schwarzem Stein, die titanische Statue des
Daij-Djan
und wieder über den Altar, aber es kostete ihn alle Kraft, auch nur einen einzigen Schritt zu tun. Das Pulsieren unsichtbarer Energie schien stärker zu werden. Er glaubte ein Flüstern zu hören, ein Locken, das gleichzeitig Warnung war, Furcht und Haß, Sehnsucht und Zorn, alles zugleich und doch nichts von alledem…
    »Geh«, sagte Ennart leise. Seine Stimme schien vom Schwarz der Wände aufgesogen zu werden, hatte kein Echo, keinen Nachhall. Skar machte einen halben Schritt zur Seite. Ennarts Lippen bewegten sich wieder, aber diesmal hörte er keinen Laut. Erst, als der Ssirhaa den Kopf ein wenig drehte und wieder genau in seine Richtung sprach, verstand er die dritte Aufforderung, sich dem Altar zu nähern. Er erinnerte sich, etwas Ähnliches schon einmal erlebt zu haben, vor zahllosen Jahren, auf der Eisinsel des Dronte. Damals war er mit Del in einer Eishöhle gewesen, die ihre Stimmen auf die gleiche, angstmachende Weise gefressen hatte wie der schwarze Basalt dieses Tempels. Hatte er auch damals die Nähe dieses uralten Bewußtseins verspürt? Er wußte es nicht mehr.
    Zögernd bewegte er sich weiter, wobei er es fast krampfhaft vermied, den Altar anzusehen. Statt dessen tastete sein Blick abermals über die Wände, und er sah jetzt, daß das, was er für unbearbeiteten Stein gehalten hatte, das genaue Gegenteil war:
    In den Basalt waren Bilder und Schriftzeichen eingemeißelt, Hieroglyphen einer vergessenen Sprache und Szenen aus einer vergangenen Welt, die einen so unverständlich und sinnlos wie die anderen erschreckend und fremd. Er sah… Dinge, die Lebewesen sein konnten oder auch nicht, Landschaften, die Gebirge darstellen mochten oder unvorstellbare Kreaturen, Linien, die auf unmögliche Weise gekrümmt und gewunden waren, Schriftzeichen, die sich zu
bewegen
schienen, wenn er nur lange genug hinsah, Bilder, die ihn mit lähmendem Schrecken erfüllten, obgleich er nicht einmal zu sagen vermochte, was sie darstellten. Zeichen, deren bloßes Betrachten ihn mit Unbehagen erfüllte, Bilder, die seinen Augen weh taten…
    Skar begann zu zittern. Sein Herz jagte. Kalter Schweiß bedeckte seine Handflächen und begann sein Gesicht hinunterzulaufen. Jeder Schritt fiel ihm schwerer als der vorhergehende, und gleichzeitig war es ihm unmöglich, stehenzubleiben, jeder Blick, den er auf die fürchterlichen Steinreliefs warf, war peinigender als der vorherige, und gleichzeitig war er gebannt von der morbiden Faszination der Bilder.
    Die
Alten…
Ennart wußte es nicht, weil irgend etwas verhinderte, daß er die Wahrheit erkannte, so wie
er
dafür sorgte, daß es Skar unmöglich war, seine Pläne wirklich zu durchschauen, aber das hier waren sie. Dies hier waren ihre wirklichen Bilder.
Sie
waren die wirklichen Herren dieser Welt gewesen, lange, bevor die Ssirhaa kamen, und nach ihnen die
Sternengeborenen.
Sie waren immer dagewesen, und sie würden immer da sein, denn sie waren so unsterblich wie die Zeit. Sie existierten noch, irgendwo, vielleicht in den Abgründen einer anderen Dimension gefangen, vielleicht außerhalb der Wirklichkeit, in einer Welt, von der diese entsetzlichen Bilder und Schriftzeichen nur Schatten einzufangen vermochten. Und es war nicht das erste Mal, daß Skar auf Zeugen ihrer vergangenen Macht traf. Er hatte diese entsetzliche, gedankenverdrehende Architektur schon einmal gesehen, in den Katakomben unter Urcöun, der Ruinenstadt im Herzen der Nonakesh, und dann später noch einmal, in den Höhlen tief unter Elay. Aber das waren Ruinen gewesen. Dies hier…
lebte.
Existierte auf eine furchtbare Weise, die mit
Leben
vielleicht nicht einmal etwas zu tun hatte, aber sie waren auch nicht tot, sondern etwas dazwischen, eine dritte Form von Sein oder Nichtsein, die seinem menschlichen Begreifen verschlossen bleiben mußte.
    Verstört und bis auf den Grund seiner Seele erschüttert blickte er zu Ennart zurück. Ennart sagte irgend etwas, aber dieser unheimliche Ort verschluckte seine Worte; Skar deutete nur die begleitende Geste. Die Haut des Ssirhaa war silbern geworden, und sein Gewand

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