Enwor 9 - Das vergessene Heer
war.
»Dann sind wir ja wieder quitt«, antwortete er störrisch. »Für jemanden, der mir sein Wort gegeben hat, mich nicht zu belügen, hast du mir eine Menge verschwiegen.«
Ian setzte zu einem zornigen Schritt in seine Richtung an, aber der Ssirhaa hielt ihn mit einer nur angedeuteten Geste zurück. »Etwas verschweigen und lügen ist nicht dasselbe«, sagte er.
»Für mich schon.«
Ennart seufzte. »Ich bin nicht gekommen, um zu streiten«, sagte er.
Skar suchte Titchs Blick. Der Quorrl wich ihm noch immer aus, aber Skar erkannte jetzt, daß er verletzt war. Nicht schlimm — keine seiner Wunden war so, daß sie ihn auch nur behindert hätte. Aber in ihrer Vielzahl sprachen sie eine beredte Sprache.
Der Quorrl hatte die Nacht nicht in einem Kerker oder in Ketten verbracht, wie er halbwegs angenommen hatte, sondern auf der Flucht. Sein goldener Schuppenpanzer war verbeult und voller Staub und Schmutz, und die Haut dort, wo sie nicht von zerkratztem Gold geschützt war, voller Schrammen und kleiner, mehr oder weniger harmloser Wunden. Die Schwertscheide an seinem Gürtel war leer, wies aber deutliche Schrammen und Scharten auf, als hätte er versucht, sie anstelle der Waffe zur Verteidigung zu benutzen, die sie enthalten sollte.
»Was habt ihr mit ihm gemacht?« fragte er zornig.
»Das spielt keine Rolle«, schnappte Ennart. »Wir —«
»Du erfährst kein Wort von mir«, unterbrach ihn Skar. »Nicht, solange ihr Titch nicht freilaßt.«
»Ihn freilassen?« Ennart lachte leise. »Aber wie kann ich das?
Er ist kein Gefangener.« Mit einer spöttischen Bewegung drehte er sich zu Titch um und winkte ihm, an seine Seite zu treten.
Der Quorrl gehorchte. Seine Bewegungen hatten nichts mehr von der kraftvollen Eleganz, die Skar immer so an ihm bewundert hatte. Sie wirkten hölzern. Wie die einer Puppe. Für einen Moment war er überzeugt, daß Ennart nun auch Titchs Willen gebrochen hatte, wie den Anschis und der anderen
Errish.
Aber die Augen des Quorrl waren klar. Titch
war
ein gebrochener Mann; aber es war nicht der Ssirhaa, der dafür verantwortlich war.
Skars Zorn steigerte sich zu rasender Wut. Wütend trat er auf den Ssirhaa zu und ballte die Faust. Ian hob drohend seinen
Schläfer,
aber Skar ignorierte die Waffe einfach. »Du… verdammtes… Ungeheuer«, flüsterte er. »Du —«
»Glaubst du, daß es uns in irgendeiner Form weiterhilft, wenn du mich beschimpfst?« unterbrach ihn Ennart kalt. »Wenn ja, dann laß deinen Gefühlen nur freien Lauf. Wenn nein, dann verschwendest du meine Zeit, Satai. Und ich glaube, daß sie kostbarer ist, als ich bisher angenommen habe.«
Skar beachtete ihn gar nicht mehr, sondern trat einen weiteren Schritt auf den Quorrl zu und berührte seinen Arm. Titch fuhr unter seiner Berührung zusammen. Für einen Moment kreuzten sich ihre Blicke, aber alles, was Skar in den Augen des Quorrl las, war ein abgrundtiefes Entsetzen. Dann fiel ihm der Geruch auf, der Titch anhaftete: ein scharfer, beunruhigender Geruch, dem er nicht das erste Mal begegnete.
»Drachen…«, murmelte er, fassungslos und zornig zugleich.
Er fuhr herum und funkelte Ennart an. »Ihr… habt sie zu den Drachen gesperrt?!«
»Wo sie hingehören, ja«, antwortete Ian an Ennarts Stelle. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse, in der sich Haß und Abscheu die Waage hielten. »Bestien zu Bestien.«
»Genug«, sagte Ennart ruhig. Ian verstummte. »Du hattest Zeit genug, über das nachzudenken, was ich dir gesagt habe, Satai. Ich habe deine Bedingung erfüllt. Titch lebt, und er ist hier. Und ich habe mit ihm geredet. Es hat also wenig Sinn, wenn du versuchst, mich zu belügen.«
Skar trat einen halben Schritt zurück und tat so, als starre er nachdenklich ins Leere, während er in Wahrheit versuchte, eine Blöße in Ennarts oder Ians Deckung zu sehen; eine Schwäche, die es ihm erlauben mochte, sie anzugreifen und zu überwältigen. Er fand keine; es gab keine. Ennart selbst war der beste Schutz, den der Ssirhaa sich wünschen konnte. Ein Wesen wie ihn mit bloßen Händen anzugreifen, war Selbstmord. Auch für einen Mann wie Skar.
»Der
Daij-Djan
ist dir nicht so unbekannt, wie du mich glauben machen wolltest«, fuhr Ennart fort, als er keine Anstalten machte zu reden. »Im Gegenteil, ich glaube, du weißt mehr über ihn als ich selbst.«
»Titch hat dir erzählt, was geschehen ist, oder?«
»Das hat er. Aber das ist nicht alles, Skar.« Der Ssirhaa legte den Kopf auf die Seite und sah ihn
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