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EONA - Das letzte Drachenauge

EONA - Das letzte Drachenauge

Titel: EONA - Das letzte Drachenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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seinem Neffen erzählt. Ich bin in meiner Bibliothek gefangen, und obwohl ich nichts weiß, werde ich bald nur eines der vielen Folteropfer im Zuge der Suche des Großlords nach dem Perlenkaiser und nach Lord Eon sein.
    Zu Papier gebracht von Prahn, dem Sohn des Mikor,
    am zwanzigsten Tag des neuen Jahrs des Rattendrachen.

1
    D ie Drachen weinten.
    Ich sah auf die graue, kabbelige See und konzentrierte mich auf das leise Geräusch in mir. Seit wir vor drei Tagen aus dem eroberten Palast geflohen waren, hatte ich jeden Morgen auf diesem Fels gestanden und die Totenklage der zehn beraubten Drachen gespürt. Meist war es nur ein gedämpftes Jammern unter dem goldenen Gesang meines Spiegeldrachen gewesen. Doch heute Morgen war es stärker. Strenger.
    Vielleicht hatten die zehn Geisttiere ihre Trauer überwunden und waren in den Kreis der Zwölf zurückgekehrt? Ich holte tief Atem und glitt in die nervenaufreibende innere Schau. Das Meer verschwamm zu wogendem Silber, als ich mich nicht mehr auf die irdische Ebene konzentrierte, sondern die pulsierenden Farben der parallelen Energiewelt in den Blick nahm. Nur zwei der zwölf Drachen waren über mir in ihren Himmelsregionen: Lord Idos massiger blauer, sich vor Schmerz krümmender Rattendrache im Nordnordwesten und mein roter Drache im Osten. Der weibliche Spiegeldrache. Die Königin. Die übrigen zehn Drachen waren noch immer nicht von dort zurückgekehrt, wohin Geisttiere zum Trauern fliehen.
    Der Spiegeldrache wandte mir den riesigen Kopf zu, und die goldene Perle unter dem Kinn hob sich schimmernd ab von den blutroten Schuppen. Vorsichtig bildete ich im Geiste unseren gemeinsamen Namen Eona und rief ihre Macht an. Sie antwortete sofort und ließ goldene Energie durch mich strömen. Ich genoss meine aufsteigende Freude, schwelgte in unserer Vereinigung und vermochte Erde und Himmel gleichzeitig zu sehen: Um mich herum waren Fels, Meer und Himmel, und zugleich nahm ich durch ihre großen Drachenaugen den Strand im wogenden, immerwährenden Rhythmus des Werdens und Vergehens wahr. Silberne Nadelspitzen von Hua, der Lebensenergie, huschten, schwammen, wühlten durch eine wirbelnde Landschaft in den Farben des Regenbogens. Tief in mir entfaltete sich ein süßer Gruß – die wortlose Berührung ihres Drachengeists mit meinem Geist – und ließ einen warmen Geschmack nach Zimt auf meiner Zunge zurück.
    Doch plötzlich schlug der köstliche Geschmack um. Wir beide spürten gleichzeitig eine Wand aus ungestümer Energie, eine sausende, schreiende Kraft auf uns zukommen. Nie hatten wir einen so zehrenden Schmerz verspürt. Ein gewaltiger Druck hämmerte auf unser goldenes Band ein und lockerte meinen irdischen Griff. Ich stolperte über Felsen, die unter mir nachzugeben schienen. Der Spiegeldrache schrie und bäumte sich auf, um sich der tosenden Woge des Verlangens entgegenzustemmen. Ich spürte keinen Boden, keinen Wind, keinen festen Grund. Nur den Zusammenprall wilder, wirbelnder Energie.
    »Eona!«
    Eine ferne, beunruhigte Stimme.
    Die zermalmende Trauer zerrte an meinem Halt auf der Erde und am Himmel. Ich fuhr herum, meine Verbindung von Geist und Körper war überdehnt und drohte zu reißen. Ich musste mich befreien, wenn ich nicht zerstört werden wollte.
    »Eona! Ist alles in Ordnung mit Euch?«
    Das war Delas Stimme, ein Anker aus der physischen Welt. Ich griff danach und entwand mich der tosenden Gewalt. Plötzlich war um mich wieder Sand und Meer und Sonnenschein. Ich krümmte mich und würgte an einem bitteren, mit Kummer verschnittenen Essig: dem Geschmack der zehn beraubten Drachen.
    Sie waren zurück. Und griffen uns an. Schon als ich das dachte, wusste ich tief in mir, dass ich mich irrte: Sie würden ihre Königin nicht angreifen. Und doch hatte ich gespürt, wie ihr Hua uns bedrängte. Eine andere Angst ergriff von mir Besitz. Vielleicht war dies der Anfang der Perlenkette, jener Waffe, die die Kraft der zwölf Drachen vereinte und die aus dem Tod aller Drachenaugen geboren war – aller Drachenaugen bis auf eines.
    Doch das war nur eine Legende und ich war nicht das letzte lebende Drachenauge. Der Rattendrache war noch in seinem Himmelskreis. Also war mindestens ein Rattendrachenauge (ob Lord Ido oder sein Schüler Dillon) noch am Leben. Ich zitterte. Irgendwie war mir klar, dass Lord Ido nicht tot war, doch ich konnte meine Gewissheit nicht erklären. Mir war, als beobachtete er mich und wartete darauf, sich meiner Kraft erneut zu bemächtigen. Er

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