ePub: Ashes, Ashes

antun.«
    Durch Dels Arm ging ein Ruck. Sie packte fester zu, sodass Dr. Lessings Augen hervortraten. »Halten Sie den Mund!«, schrie Del. »Hören Sie auf zu lügen! Und tun Sie nicht so, als wären wir Vertraute!«
    »Aber du hast doch verstanden, worum es hier geht!«
    »Sie haben mich angelogen! Sie haben mich nur benutzt, damit ich meine Freunde hierherbringe. Und Leo haben Sie getötet!« Tränen rannen ihr über das Gesicht. Dr. Lessing wand sich, aber Dels Griff war zu stark.
    »Ich bin Ärztin«, sagte sie, »und Wissenschaftlerin.« Sie sah Lucy mit bittender Miene an. »Lucy, es ist deine Pflicht. Du bist mit dieser Gabe gesegnet.«
    »Sie wollten mir so lange Blut abnehmen, bis ich gestorben wäre«, entgegnete Lucy. Endlich konnte sie wieder klar denken. »Ich habe Ihren Bericht gelesen.« Sie trat einen Schritt näher an die Ärztin heran und ließ ihr Messer sinken. »Warum haben Sie Leo mit der Krankheit infiziert?«
    Dr. Lessings Gesicht verzerrte sich vor Zorn. Sie bohrte ihre Nägel in Dels Hände, aber Del, mit ebenfalls wütender Miene, ließ nicht los. Plötzlich schleuderte die Ärztin ihren Kopf zurück. Ihr Hinterkopf schlug gegen Dels Mund, sodass sie sich in die Lippe biss. Del stolperte nach hinten und versuchte, mit den Armen wirbelnd, die Balance zu halten. Schließlich fiel sie auf die Knie. Blut floss aus ihrem Mund. Die Kinder schrien auf und drückten sich an das Geländer.
    Dr. Lessing schwankte. Sie hatte Flecken von Dels Blut auf ihrem Kittel. Simmons sah zwischen der Ärztin und Del hin und her. Offenbar wusste er nicht, was er tun sollte. Die Sweeper hinter ihm wurden unruhig.
    »Del!«, rief Sammy aus und stürzte zu ihr. Niemand hielt ihn zurück. Sobald er bei ihr war, legte er ihr den Arm um die Schulter und half ihr auf.
    Mit einem wütenden Schrei, die Finger zu Klauen gekrümmt und mit wirrem Haar, warf sich Dr. Lessing auf ihn. Sie hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit der ruhigen, gefassten Person, die Lucy und Aidan ein paar Stunden zuvor begrüßt hatte. Ihr Sprung brachte Sammy aus dem Gleichgewicht und Del stürzte hintenüber. Auf dem glatten, polierten Boden konnte Sammy sich mit seinen Stiefeln nicht mehr fangen. Seine Beine rutschten weg und er fiel mit voller Wucht hin. Dabei ließ er die Sichel fallen, sodass sie über den Boden schlitterte und außerhalb seiner Reichweite liegen blieb. Die Arme an seinen Bauch gedrückt, rollte er beiseite und versuchte Dr. Lessings Angriff abzuwehren.
    Del nestelte an ihrer Sweatshirttasche. Sie zog ihre Schleuder heraus, legte einen runden Kiesel in die Schlaufe und zog den Arm zurück. Lucy konnte ihr die Konzentration im Gesicht ablesen. Sie zielte auf Dr. Lessing, die in Rage auf Sammy einschlug. Aber die Ärztin und Sammy waren restlos ineinander verkeilt, und Del wollte das Risiko, irrtümlich Sammy zu treffen, nicht eingehen.
    Dr. Lessings Atem ging in lauten Stößen. Sammy versuchte gerade, in Deckung zu gehen, als die Ärztin mit voller Wuchtzuschlug. Sammys Kopf flog zur Seite und seine Maske wurde heruntergerissen und rutschte über den Boden. Lucy hörte die Sweeper raunen, als sie sein unterlaufenes Gesicht und seine brennend roten Augen sahen. Ein Rinnsal Blut floss aus einer Wunde an seiner Stirn. In diesem Augenblick warf sich Simmons auf die Ärztin. Er drehte ihr beide Arme auf den Rücken und zerrte sie von Sammy fort. Anfangs wehrte sie sich noch, dann erschlaffte sie plötzlich, während Simmons ihre Handgelenke in seinen großen Händen hielt.
    Lucy gab sich einen Ruck und lief zu ihren Freunden hinüber. Ihr Blick fiel auf die Bluttropfen, die auf die polierten Treppenstufen gefallen waren. Stammten sie von Del oder von Sammy? War es eine schwere Verletzung? Dr. Lessing kauerte halb sitzend, halb liegend auf dem Boden. Mrs. Reynolds und Simmons beugten sich über sie. Offenbar war sie ziemlich benommen. Und die Sweeper – worauf warten die denn noch? , fragte sich Lucy.
    Unvermittelt zog Aidan sie so heftig am Arm, dass es wehtat. Es klirrte drei Mal nacheinander, dann versank alles rundum in Dunkelheit.
    »Del hat die Lampen zerschossen. Mit ihrer Schleuder«, flüsterte Aidan so nah an Lucy, dass sein Atem sie im Ohr kitzelte. »Drück dich an die Wand. Sie geht jetzt zum Flächenangriff über.« Bevor Lucy fragen konnte, wie er das meinte, zischte nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt ein Geschoss vorüber. Sehen konnte sie nichts, doch sie spürte den Luftzug und hörte weiter hinten