Equilibrium
weiß, dass es sicher ist. Gib ihm von mir einen Kuss.«
Inez nickte und sie alle winkten, während Morena mit Kevin unsichtbar wurde.
K evin spürte das vertraute Schieben und schloss die Augen, um sich transportieren zu lassen. Er fühlte die wohlige Wärme vollkommenen Friedens. Er kam leicht beschwingt in Morenas Flur an. Das Gefühl verschwand schnell, nachdem Morena seine Hand losgelassen hatte. Stattdessen empfand er nun Verzweiflung und Angst. Er zitterte.
»Kevin? Geht es dir gut?«, fragte Morena besorgt.
»Ich hatte gerade ein ganz mieses Gefühl«, antwortete er. »Fast wie drohendes Unheil. Ich weiß nicht, warum.«
»Tja, hier bist du in Sicherheit und du kannst so lange bei mir bleiben, wie du willst«, beruhigte ihn Morena. »Raj Sen weiß nichts von mir. Unmöglich, dass er das könnte.«
Kevin sah sich um. Das Haus war still und er war sicher, dass sie alleine waren. Hier konnte er sich nicht ewig verstecken, aber zumindest im Augenblick war er sicher.
»Machen wir dir eine heiße Schokolade und danach ruhst du dich aus. Ich gehe morgen arbeiten. Was hast du vor?«, fragte Morena. »Es ist Freitag, du könntest dich krankmelden, dann hast du das Wochenende Zeit, um alles zu regeln.«
Kevin nickte. Er war zu müde, um zu denken. Er brauchte dringend Schlaf. Sobald sein Kopf das nach Lavendel duftende Kissen in Morenas Gästezimmer berührte, schlief er ein.
Nach zehn Stunden traumlosem Schlaf wachte er auf. Es war schon ein Uhr am Nachmittag. Kevin war allein zu Hause. Er schlenderte runter in die Küche, um sich Kaffee zu kochen und fand einen Korb frischer Bagels mit einem Zettel von Morena. Darauf stand nur, dass er sich nehmen solle, was er wollte, und dass sie ungefähr um sieben wieder da sein würde. Sie hatte ihm auch das Passwort für ihren Computer darauf gekritzelt. Er kochte sich eine Tasse starken Kaffee und öffnete den Kühlschrank, um nach Sahne zu suchen. Morenas Auswahl an Kaffeesahne, ließ ihn lächeln: Haselnuss, Karamell-Macchiato, Bourbon-Vanille. Er entschied sich für Bourbon-Vanille und gab davon einen Schluck in seinen Kaffee, bevor er den Computer anschaltete. Er loggte sich bei Ames ein und checkte seine E-Mails. Da waren über dreihundert ungelesene Nachrichten. Kevin überflog die Liste. Ungefähr in der Mitte stoppte er abrupt. Er sah noch einmal auf den Absender – Raj Sen. Er klickte voller Furcht darauf.
Ich bin in Ihrem Haus und ich überwache Ames. Ich muss mit Ihnen reden, rufen Sie mich an.
Nun, das war knapp und auf den Punkt. Er wollte es erst einmal ignorieren. Raj würde vermutlich herausfinden, dass er sie geöffnet hatte, doch er hoffte, dass Morenas Computer nicht zurückzuverfolgen war. Er dachte darüber nach, sie anzurufen, hielt sich aber zurück. Auch wenn der Computer höchstwahrscheinlich nicht zurückzuverfolgen war, konnte er nicht das gleiche vom Telefon annehmen.
Kevin sah aus dem Fenster. Es war ein schöner Tag und er sehnte sich danach rauszugehen, aber dazu hatte er zu viel Angst. Wovor genau fürchtete er sich? Was, wenn überhaupt etwas, würde Raj Sen tun, jetzt da die Kinder verschwunden waren, verschwunden in einer anderen Dimension? Das wusste Raj natürlich nicht. Soweit er wusste, versteckte Kevin immer noch die Kinder – sein Druckmittel – irgendwo. Das würde Raj verzweifeln lassen. Vielleicht sollte er Raj einfach eine E-Mail schicken und ihn wissen lassen, dass die Kinder zu ihren Eltern zurücktransportiert worden waren. Vielleicht würde die Aussichtslosigkeit der Situation Raj dazu zwingen, sein Vorhaben aufzugeben.
Kevin fing an, eine Nachricht in den Computer zu tippen, zögerte aber, die Senden -Taste zu drücken. Zuerst sollte er das mit Morena besprechen, er wollte nichts übereilen. Er speicherte seinen Entwurf und klickte durch die anderen Nachrichten. Die meisten kamen von seinem Boss und forderten ihn auf, sie anzurufen. Er hatte gestern eine Präsentation verpasst und er hatte seinen monatlichen Bericht nicht eingereicht. Donna, sein Boss, ließ ihn seine Projekte eigenständig durchziehen. Es war leicht, für sie zu arbeiten, aber sie bekam ihre Berichte gerne pünktlich. Kevin beschlich ein schlechtes Gefühl, als er ihre letzte E-Mail las.
Kevin, ich bin bei dir zu Hause vorbeigefahren, um den Bericht zu holen. Ich warte mit Raj Sen. Bitte ruf mich so bald wie möglich an. Donna.
Kevin wurde es schlecht. Was jetzt? Er konnte wohl kaum die Polizei rufen. Oder doch? Er musste mit Morena sprechen.
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