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Equinox

Equinox

Titel: Equinox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Elfmeterpunkt zu liegen kommt.
    Jochen stand derweil weiter wie angeklebt an seinem Platz und fing nicht vorhandene Bootsbewegungen mit den Beinen ab. Die See war arschglatt, die Temperaturen sommerlich, die Sonne schien 18 Stunden am Tag; ich war bei meiner Suche irgendwo in den Sechzigern angelangt, als Kapitän Zouteboom wieder die Stimme erhob.
    »Nun, meine Herren«, sagte er, lauter als nötig, wie immer besorgt, man könne ihm irgendetwas anderes als die volle Aufmerksamkeit schenken, »die ersten Tage dieser Reise müssen Ihnen wie ein bezahlter Urlaub vorgekommen sein.«
    Wenn man nur eine Sekunde drüber nachdachte, hatte er völlig Recht: Wir hatten nichts gearbeitet, waren aber trotzdem fertig wie nur was. Übernächtigt, verkatert von mehr als nur einer Droge und kaum in der Lage, uns auf den Beinen zu halten. Fehlte eigentlich nur noch eine satte Durchfallerkrankung und großflächige Verbrennungen zweiten Grades, und die Urlaubsstimmung wäre perfekt gewesen.
    »Nun«, wiederholte der Kapitän, »damit ist es fürs Erste vorbei.« Er machte eine Pause, wohl um uns Zeit zu geben, darüber nachzudenken, was er damit meinte. Ich ertappte mich dabei, wieder nach der Liste zu schielen.
    »Es sieht so aus, als käme in der nächsten Zeit eine ganze Menge Arbeit auf Sie beide zu.«
    Das machte mich neugierig, gestalten sich die Aufgaben eines Detektivs doch normalerweise nicht so vorhersehbar wie die eines, sagen wir, Briefträgers. Ob Zouteboom jetzt doch von der Selbstmord-These abgerückt war?
    Albaner, erinnerte mich meine innere Stimme, und plötzlich war mir, als ob ich einen Knopf zu viel an meinem Hemd zugemacht hätte.
    »Hier an Bord geschehen seltsame Dinge«, bellte der Kapitän, und mit der Lautstärke synchron hob sich wieder der Rot-Ton seines steckdosennasigen Antlitzes.
    Ich nickte nur, ohne etwas zu sagen, doch das genügte schon, mir einen äußerst bohrenden Blick aus den beinahe wimpernlosen Schweinsaugen des Kapitäns einzutragen.
    »Die Kabine eines unserer Musiker wurde vandalisiert!« Der Blick wanderte von mir zu Jochen und wieder zurück.
    »Das wissen wir schon«, sagte ich hastig, denn ich hörte, wie Jochen sich räusperte. »Wir haben den Fall aufgenommen und gehen verschiedenen Hinweisen nach.«
    Klang doch gut, oder? Professionell.
    Zouteboom schnaubte. »Sie sollten sich beeilen!«, schrie er. »Fürst Fjodorov-Tsarinski«, und bei der Nennung des Titels beruhigte er sich ein wenig und so was wie Andacht schwang in seiner Stimme, »ist entschlossen, bis zur Aufklärung des Falles die Arbeit zu verweigern.«
    Na, dachte ich, kein großer Verlust. Der Fürst hatte zwar das Auftreten eines Superstars, doch wenn er dann tatsächlich die Tasten bearbeitete, kam ein Geklimper heraus, wie man es gerne in den Aufzügen und Telefon-Warteschleifen von Versicherungsunternehmen dudeln lässt.
    »Eifersucht«, stieß Jochen überraschend hervor. »Da hat ihm einer was heimzahlen wollen. Der Mann bespringt an Bord ja praktisch alles, was sich bewegt.«
    Eine Bemerkung, die bei unserem Bootsführer einen Nerv getroffen zu haben schien, denn für einen Moment sah er aus, als ob er unserem Jockel an die Gurgel gehen wollte.
    »Egal, ob Männlein oder Weiblein«, fügte mein Kollege, momentan unempfänglich für jede Art von Signal unterhalb Hammerschlagstärke, ungerührt hinzu. Da ging hinter seinem Rücken die Tür auf und ein finster dreinblickender Koch asiatischer Herkunft trat über die Schwelle, verharrte und räusperte sich kehlig. Er trug eine Montur von solcher Blütenreinheit, dass sie seiner Berufsbezeichnung ganz von alleine ein >Chef-< voranstellte.
    Kapitän Zouteboom fing sich mühsam und stellte uns einander vor. »Herr Masimoto«, erklärte er uns dann, unterstützt von vielsagendem Räuspern des japanischen Küchenchefs, »vermisst aus seinem Lebensmittellager einen Sack …« - Zouteboom machte eine unerklärliche Pause und sah bohrend von mir zu Jochen und wieder zurück, und, ich weiß nicht genau, wieso, aber plötzlich wurden mir die Ohren heiß, heiß wie Toast - ».. .Reis«, brachte der Kapitän den Satz mit einigem Gewicht zu Ende.
    Sieh jetzt nicht zu Jockel, befahl ich mir, da spürte ich, wie der mich von der Seite ansah. Betreten, fühlte ich. Schuldbewusst, ahnte ich. Mir war danach, ihm einen viehischen Kick zu verpassen.
    »Ah«, sagte ich rasch, mit der ganzen Nachlässigkeit von jemandem, dessen Aufgaben normalerweise ein wesentlich höheres Maß an

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