Equinox
ausgerechnet mit der Security zu verderben. Ich meine, Schwertmörder und alles mal so in die Waagschale geworfen.
Albaner, erinnerte mich die Stimme aus dem rückwärtigen Anbau meiner Denkfabrik.
»Herein«, rief ein zittriges Stimmchen, nachdem wir bei Nr. 9 geklopft hatten, und wir hatten die Tür noch nicht ganz geöffnet, da kamen zwei, tja - sie sahen aus wie nachlässig rasierte Kanalratten und gaben Geräusche von sich wie schlecht gespannte Keilriemen - angeschossen und verbissen sich unverzüglich in Jochens Hosenbeine.
»Wupsie, Pupsie«, rief das zittrige Stimmchen in mildem Vorwurf, doch ohne Erfolg.
Mich nahm Giorgio in Empfang, in all seiner ungetrübten Bodybuildität. Giorgio war als oberster Boss der Fitnesstrainer und Animateure eine recht große Nummer hier an Bord und, bei Gott, er nahm sich ernst. Außer einer V-förmigen Badehose trug er im Moment nur gleichmäßig eingefärbte, gleichmäßig eingeölte und gleichmäßig strammsitzende Haut. Ah, Schläppchen hatte er auch noch an. Fast vergessen. Goldene, mit Goldbrokat bestickte Schläppchen, sicher ein Geschenk. Er kam auf mich zu, wie sie es alle tun: obenrum mit der Wiegebewegung einer Boje in kabbeliger See, unterhalb der Taille aber seltsam steif, geradezu verkniffen. Als ob ihn Schwierigkeiten plagten, den Korken drinzuhalten, ohne den sich die ganze geblähte Muskulatur in prustende Flatulenz aufzulösen drohte.
»Männer«, begrüßte er uns gewichtig, »gut, dass ihr da seid.« Sein Händedruck war von erwarteter Markigkeit, und ich erwiderte ihn mit dem schlaffsten, den ich aufzubieten vermochte. »Miss Lovejoy vermisst ein Schmuckstück.« Und mit großer, ausholender Armbewegung verwies er auf den Ohrensessel, in den Lilly Lovejoy, die Schauspiellegende, hineingeschrumpelt schien wie eine taube Nuss in eine viel zu große Schale. Sie winkte, und da Jochen sich noch mit den schlecht rasierten Keilriemen amüsierte, winkte sie mir.
»Zweiter Borddetektiv Kryszinski«, stellte ich mich vor, in vollem Bewusstsein, dass die Passagiere der Nobility-Class sich grundsätzlich niemals mit dem Zweiten gleich welcher Form zufrieden geben, doch die taube Nuss hörte gar nicht zu. Sie winkte mich noch näher zu sich und gab mir mit vertraulicher Gestik zu verstehen, mir etwas ins Ohr flüstern zu wollen, also beugte ich den Rumpf.
»Ich sehe es so gerne, wenn Giorgio rudert«, vertraute sie mir an. Und, angeführt von meiner Nase, stellte meine Atmung die Arbeit ein für einen kurzen Warnstreik. Hollywoodlegende, Actrice und Diseuse Lilly Lovejoy hatte einen Atem wie eine frisch geöffnete Dose Katzenfutter. Die den ganzen Sommer im Auto gelegen hat.
Auf der Hutablage.
In einem schwarzen Wagen ohne Klimaanlage.
Ich richtete mich auf, drehte mich ein wenig zur Seite und nahm einen tiefen Atemzug.
»Giorgio«, sagte ich dann, »rüder uns doch mal ein bisschen was vor.« Und ich verwies einladend auf die Rudermaschine direkt vor Lillys Sessel. Kreuz und quer über die ganze Suite verstreut stand noch jede Menge anderes wuchtiges Sportgerät herum. Darunter ein Laufband.
Giorgio nahm nicht den direkten Weg zur Rudermaschine, sondern schlug einen kleinen Haken, der ihn dicht an meinem Körper vorbeibrachte.
»Ich bin der Chef einer ganzen Abteilung«, raunte er mir zu, »und du«, knurrte er, »hast mir überhaupt nichts zu befehlen.« Doch dann ging er, hockte sich auf den Rollsitz und begann an den kurzen Auslegern zu zerren, als ob er ihnen die Gelenke auskugeln wollte.
»Und danach fände Miss Lovejoy es schön, wenn du ein paar Meter auf dem Laufband machen könntest«, behauptete ich, inspiriert von dem großen roten Einstellknopf unten, an der Seite des Gerätes.
Miss Lovejoy winkte mich wieder zu sich runter und ich gab das Signal rasch an Jochen weiter.
»Komm doch mal eben«, forderte ich ihn auf. »Ich versteh sie so schlecht.« Doch Jochen hörte nicht hin. Im Versuch, von seinen Hosenbeinen zu retten, was noch zu retten war, hatte er sich gebückt und als Resultat jetzt eine der beiden Hundsratten mit ihren gelben, gebleckten Zähnen an den Fingern seiner rechten Hand hängen.
Ich hielt den Atem an und neigte mein Ohr.
»Ihr Kollege wird Pupsie doch nichts tun?«, fragte das dünne Stimmchen. Rasch nahm ich wieder Haltung an.
»Seien Sie unbesorgt«, dröhnte ich, während Jochen das in seine Hand verbissene Bündel mehrmals so heftig gegen die Kante der Schreibtischplatte schlug, dass der PC-Monitor obendrauf zu
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